Erröten weckt Vertrauen

- Sebastian Butz –

Wer auf peinliche Situationen mit Verlegenheit reagiert, signalisiert anderen Menschen Vertrauenswürdigkeit.

Jeder von uns kennt peinliche Situationen. Man stolpert mitten auf der Straße über eine kleine Unebenheit, rudert mit den Armen, fällt fast auf die Nase, die Vorbeigehenden können sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Die eigene Seminararbeit wird vom Dozenten vor allen anderen Seminarteilnehmenden als leuchtendes Beispiel einer hervorragenden Leistung hochgepriesen. Man macht einen Witz über eine andere Person und stellt dann fest, dass sie die ganze Zeit unbemerkt hinter einem gestanden hat. Situationen wie diese sind den meisten von uns unangenehm und machen uns verlegen. Daher versuchen wir, solche Peinlichkeiten möglichst zu vermeiden.

Aktuelle Forschungs­ergebnisse zeigen jedoch, dass Peinlichkeit und Verlegenheit auch ihre Vorteile haben könnten. Die Forscher Matthew Feinberg, Robb Willer und Dacher Keltner von der Universität Berkeley haben in mehreren Studien untersucht, wie Verlegenheit  von anderen Personen wahrgenommen wird. Sie vermuteten, dass verlegene Personen durch andere als besonders sozial und vertrauenswürdig bewertet werden, da Verlegenheit ein Ausdruck des sozialen Gewissens darstellt. Denn verlegene Personen signalisieren, dass sie die soziale Normen kennen und peinlich berührt sind, wenn sie dagegen verstoßen.

Um ihre Annahmen zu überprüfen, ließen die Forscher ihre ProbandInnen ihre Meinung zu verschiedenen Themen äußern. Mit ihnen im Raum war ein angeblicher weiterer Teilnehmer, der eine separate Aufgabe löste und von der Versuchsleitung demonstrativ für seine Leistung gelobt und als außerordentlich begabt bezeichnet wurde. Die eingeweihte Person reagierte auf das Lob entweder mit einem neutralen Gesichtsausdruck oder zeigte Verlegenheit oder Stolz. Anschließend sollten die Versuchspersonen den vermeintlich realen Teilnehmenden einschätzen. Zudem sollten sie in einer Spielsituation angeben, wie viel Geld sie ihm als Spiel­partner anvertrauen würden.

Der verblüffende Befund: Verglichen mit einem Mitstreiter, der neutral oder stolz reagierte, bewerteten die Teilnehmenden ihren verlegenen Mitstreiter im Mittel als sozialer und waren bei der Vergabe von Geldbeträgen großzügiger; sie befanden ihn also für vertrauenswürdiger. Die Forscher erklären ihren Befund damit, dass verlegene Personen zum Beispiel dadurch, dass sie den Blickkontakt zu ihren Mitmenschen vermeiden, diesen signalisieren, dass sie ihr eigenes Verhalten für unangemessen halten und um Wiedergutmachung bemüht sind. Das Erkennen von Verlegenheit bei anderen ist daher aus evolutionärer Perspektive sinnvoll, denn Verlegenheit bedeutet eine Orientierung an sozialen Normen und schafft damit eine Vertrauensbasis.

Auch wenn wir peinliche Situationen wie die eingangs beschriebenen mit negativen Gefühlen in Verbindung bringen und wir ihnen daher liebend gern aus dem Weg gehen möchten, können sie also durchaus ihre Vorteile haben. Denn so unangenehm uns Verlegenheit und Erröten auch sind, sie zeigen unserem Gegenüber unsere positiveren Seiten, nämlich, dass wir eigentlich soziale und vertrauenswürdige Menschen sind.

Feinberg, M., Willer, R., & Keltner, D. (2012). Flustered and faithful: Embarrassment as a signal of prosociality. Journal of Personality and Social Psychology, 102(1), 81–97.

© Forschung erleben 2012, alle Rechte vorbehalten

Zurück