Gefühlter Klimawandel

- Stefan Pfattheicher –

An warmen Wintertagen glauben Menschen eher an die Erderwärmung.

Dass die Erde sich erwärmt, bestreiten nur noch die wenigsten unter uns. Doch wie kommen wir zu dieser Überzeugung? Schließlich stellt der Wandel des Erdklimas ein komplexes Forschungs­gebiet dar, dessen Verständnis Wissenschaft­lerteams weltweit beschäftigt. Ye Li, Eric J. Johnson und Lisa Zaval von der Columbia University in New York argumentieren, dass Menschen bei komplexen Themen nicht unbedingt in den Tiefen ihrer Wissensbestände „kramen“ oder alle verfügbaren Fakten heranziehen, sondern im Gegenteil leicht zugängliche Informationen für ihr Urteil verwenden. So könnte schon ein ungewöhnlich warmer Tag im Winter das Phänomen der Erderwärmung realer und bedeutsamer erscheinen lassen. Das Forscherteam überprüfte daher, ob Menschen eher an die Erderwärmung glauben, wenn sie einen Tag als wärmer empfinden als zur Jahreszeit üblich.

Zur Über­prüfung dieser Vermutung wurden Personen aus den USA und aus Australien in einer Online-Befragung gebeten anzugeben, inwiefern sie von der Existenz der globalen Erwärmung überzeugt seien und wie sehr ihnen die Erderwärmung Sorge bereiten würde. Zudem sollten die Teilnehmenden einschätzen, inwiefern die örtliche Temperatur an dem aktuellen Tag wärmer oder kälter war als für die Jahreszeit üblich. Die Befunde stützen die Vermutung des Forscherteams. Wenn die Befragten angaben, dass der aktuelle Tag wärmer sei als für die Jahreszeit üblich, so waren sie stärker von der Existenz der Erderwärmung überzeugt und eher darüber besorgt als Personen, welche den Tag nicht als ungewöhnlich warm empfanden.

Durch die zeitgleiche Befragung von Personen aus den USA und aus Australien konnte zudem gezeigt werden, dass dieser Effekt sowohl im Winter als auch im Sommer auftritt – denn zeitgleich zum nordamerikanischen Winter kann man in Australien den Sommer genießen. Die Befunde sprechen dafür, dass es nicht auf die Jahreszeit ankommt –  wenn ein Tag als ungewöhnlich warm empfunden wird, dann glauben sowohl Personen im kalten New York als auch jene im sonnigen Sydney eher an die Erderwärmung.

Die Studien des Forscherteams zeigen jedoch, dass die gefühlte Tagestemperatur nicht nur die Wahrnehmung der Erderwärmung beeinflusst, sondern sich darüber hinaus auch auf unser Verhalten auswirkt: So wurden Personen in einer weiteren Studie gebeten, für ein Klima­projekt zu spenden. Die Teilnehmenden, die den Befragungs­tag als ungewöhnlich warm einstuften, spendeten deutlich mehr Geld als jene, die angaben, dass die Temperatur typisch für die Jahreszeit sei.

Auch wenn sich mancher Wintersportler grämen mag – ein milder Winter könnte demnach auch seine guten Seiten haben. Dann sind Menschen nämlich eher bereit, sich an Klima­projekten zu beteiligen. Und das sollte auf lange Sicht auch den Wintersportler freuen.

Li, Y., Johnson, E. J., & , Zaval, L. (2011). Local warming: Daily temperature change influences belief in global warming. Psychological Science, 22(4), 454–459.

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