Gemeinsam zum Ziel?

- Larissa Rössner –

Personen, die in einer Beziehung weniger Macht haben, übernehmen eher die Ziele ihres dominanteren Partners oder Partnerin.

Wer kennt ihn nicht, den Brauch beim Anschneiden der Hochzeitstorte darauf zu achten, wer die Hand oben hat. Es heißt, wer die Hand oben hat, hat später in der Beziehung  „die Hosen an“. Diesem Brauch liegt die Tatsache zugrunde, dass es in der Tat in vielen Beziehungen ein Machtgefälle besteht, es also einen etwas dominanteren und einen etwas schwächeren Part gibt. Wie wirkt sich dieses Machtgefälle im Alltag aus, zum Beispiel darauf wie das Paar seine Ziele verfolgt?

Allgemein gilt es in modernen Beziehungen als essentiell dass beide PartnerInnen ihre individuellen Ziele verfolgen können. Da eine Beziehung aber immer auch ein Miteinander bedeutet, ergeben sich für eine Person in einer Beziehung neue, gemeinsame, sowie Ziele des Partners oder der Partnerin welche zu berücksichtigen sind. Diese zusätzlichen Ziele können eigene Ziele jedoch einschränken und eine hohe Opferbereitschaft für die Beziehung fordern, zum Beispiel unterschiedliche und schwer miteinander zu vereinbarende Familien und Karrierepläne.

Ein Forschungs­team um Kristin Laurin ging davon aus,  dass der/die schwächere  PartnerIn seine/ihre Zielsetzung eher nach den  Zielen  des  stärkeren  Parts richtet und somit weniger Zeit und Energie verbleiben, um  eigene  Ziele zu verfolgen. Das bedeutet, dass die schwächere Seite die dominantere beim Erreichen gesetzter Ziele eher unterstützt oder diese Ziele sogar für sich annimmt als umgekehrt.

Diese Annahmen wurden in mehreren Studien untersucht. Bei einer der  Studien waren insgesamt 114 Paare beteiligt, welche seit mindestens drei Monaten zusammen waren. Die Teilnehmenden beantworteten zunächst eine  Reihe von Fragen, welche sich mit beziehungs­spezifischen Machtstellungen befassten. So wurde erfasst, wer eher der/die stärkere und wer der/die schwächere PartnerIn in der Beziehung ist. Ab dem darauffolgenden Tag erhielten die Teilnehmenden sieben Tage lang täglich sechs kurze Umfragen auf ihre  Smartphones. Sie sollten jeweils erläutern, welches Ziel sie in diesem Moment verfolgten und es dann als ein a) selbstbezogenes  Ziel, b) gemeinsames Ziel, c) Ziel des/der PartnerIn oder d) bedeutungs­loses Ziel kategorisieren.
In der Studie zeigte sich, dass in der Beziehung  schwächere PartnerInnen tatsächlich häufiger gemeinsame  oder partnerInbezogene  Ziele verfolgten und sich seltener mit selbstbezogenen Zielen auseinandersetzten als dominantere PartnerInnen. Bei bedeutungs­losen Zielen ließen sich keine Unterschiede zwischen dominanteren und weniger dominanten Partnern oder Partnerinnen feststellen.

Zusammengefasst zeigt der schwächere Part in der Beziehung also mehr Bereitschaft gemeinsame Ziele und Ziele des Partners oder der Partnerin zu verfolgen und dabei eigene zu vernachlässigen. Das ist problematisch, da so schnell ein Gefühl von Un­gerechtigkeit in der Beziehung aufkommen kann. Beide Partner sollten versuchen sich die Waage zu halten, indem der/die Schwächere manchmal auf eigene Ziele besteht und der/die Dominantere versucht Wünsche des Schwächeren mehr zu berücksichtigen.


Laurin, K., Fitzsimons, G. M., Finkel, E. J., Carswell, K. L.,  vanDellen, M. R., Hofmann, W., Lambert, N. M.,  Eastwick, P. W., Fincham, F. D., & Brown, P. C. (2016). Power and pursuit of partner’s goals. Journal of Personality and Social Psychology, 110(6), 840 – 868.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Selma Rudert*, Julia Engel

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