„Hallo?!...Aha...Ja, kein Problem...Dann bis später!“

- Julia Hanft –

Telefonate beeinträchtigen die Konzentrations­leistung „unfreiwilliger“ Zuhörer stärker als Gespräche zwischen anwesenden Personen.

Handys sind für viele Menschen aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Laut einer Meldung des Statistischen Bundes­amtes Deutschland gab es bereits 2006 in 80,6 Prozent der deutschen Privathaushalte mindestens ein Mobiltelefon. Überall sind die mobilen Telefone im Einsatz: in der Bahn, im Café oder im Auto. Oftmals fühlen sich die ungewollt Zuhörenden solcher öffentlichen Telefonate jedoch gestört. Eigentlich könnte man meinen, dass jedes Gespräch, das wir mithören, uns gleichermaßen ablenkt. Egal, ob im Café die zwei am Nebentisch lautstark plaudern oder der Typ in der Ecke mit jemandem telefoniert. Dennoch scheint es so, dass wir uns durch Telefonate mehr gestört fühlen als durch andere Gesprächsformen.

Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, welchen Einfluss mitgehörte Telefonate auf die Konzentration unfreiwillig Zuhörender haben. Ein Forschungs­team um Lauren Emberson hat sich dafür interessiert, ob Gespräche im Allgemeinen einen Einfluss auf die Konzentrations­leistung haben oder ob sich speziell der Halbdialog auf die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auswirkt. Das Wort Halbdialog bezieht sich hierbei auf den typischen Fall unfreiwillig mitgehörter Telefongespräche. Im Gegensatz zu einem Dialog zwischen zwei anwesenden Personen oder einem Monolog versteht man bei einem Telefongespräch, das man mithört, immer nur einen Teil eines Gesprächs.

Zur Untersuchung der Frage, wie sich einzelne Gesprächsformen auf die Aufmerksamkeit von Zuhörenden auswirken, wurden Teilnehmer einer Studie gebeten verschiedene Konzentrations­aufgaben zu bearbeiten. Gleichzeitig waren sie unfreiwillig Zuhörende entweder eines Dialogs, eines Monologs oder eines Halbdialogs. Die Versuchspersonen wurden vorab aufgefordert ihre Aufmerksamkeit trotz der Gespräche auf die Aufgaben zu richten. Es zeigte sich, dass weder der Dialog noch der Monolog die Konzentrations­leistung der Versuchspersonen beeinträchtigten – der Halbdialog hingegen schon.

Aber warum wirkt sich der Halbdialog nachteilig auf unsere Aufmerksamkeit aus, andere Gesprächsformen jedoch nicht?

Im Rahmen einer weiteren Studie fand das Forschungs­team heraus, dass die eingeschränkte Konzentrations­leistung durch den unvollständigen Informations­gehalt eines Halbdialogs erklärt werden kann. Da Zuhörende eines Halbdialogs nur die eine Hälfte eines Gesprächs hören, ist der weitere Gesprächsverlauf für sie wenig vorhersehbar. Laut Emberson und KollegInnen bedeutet Unvorhersehbarkeit für das menschliche Gehirn immer auch Unsicherheit. Um diese zu reduzieren, lenkt unser Gehirn unsere Aufmerksamkeit automatisch auf den Halbdialog, um eventuell weitere wichtige Informationen und somit mehr Sicherheit zu erlangen. Konsequenterweise wird die Aufmerksamkeit dadurch von anderen Tätigkeiten  abgelenkt.

Diese Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht interessant. Sie erklären nicht nur, warum wir unser Buch nicht in Ruhe lesen können, während am Nachbartisch telefoniert wird. Sie machen auch deutlich, warum Telefongespräche im Straßenverkehr so gefährlich sind. Es scheint, dass nicht nur „Telefonieren am Steuer“, sondern allein schon ein telefonierender Beifahrer die Konzentration des Fahrenden deutlich beeinträchtigen kann. Wenn Sie also das nächste Mal im Auto einen Anruf erhalten, rufen Sie besser nach der Fahrt zurück.

Emberson, L.L., Lupyan, G., Goldstein, M.H., & Spivey, M.J. (2010). Overheard cell-phone conversations: when less speech is more distracting. Psychological Science, 21(10), 1383-1388.

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