Ein Großteil der Verbrechen geschieht, wenn es dunkel ist. Aber warum ist das so? Eine naheliegende Erklärung scheint, dass Straftäter im Dunkeln schlechter erkennbar sind und sich Straftaten dadurch besser verschleiern lassen. Die aktuelle Studie eines Forscherteams um Chen-Bo Zhong von der Universität Toronto zeigt jedoch, dass Dunkelheit darüber hinaus auch unsere Wahrnehmung verändert: Wir haben wir das subjektive Gefühl, anonym zu sein, und das begünstigt unmoralisches Handeln und im Extremfall sogar Verbrechen.
Den Beleg lieferte das Forschungsteam in einer Reihe von Studien, in denen sie die wahrgenommene Dunkelheit variierten. In der ersten Studie sollten Studierende, die zufällig zu einem hell erleuchteten oder abgedunkelten Raum zugewiesen wurden, Rechenaufgaben lösen. Für jede richtige Lösung durften sie sich 50 Cent aus einem Umschlag nehmen. Am Ende des Versuchs sollten sie das übrig gebliebene Geld zusammen mit den Unterlagen anonym zurückgeben. Obwohl also alle Studienteilnehmenden objektiv nicht erwischt werden konnten, schummelten Teilnehmende in dem abgedunkelten Raum mehr und nahmen damit mehr Geld aus dem Umschlag als jene in dem hell erleuchteten Raum.
In einer weiteren Studie spielten Studierende ein PC-Spiel, in dem sie sechs Dollar zwischen sich und einem angeblichen Mitspieler aufteilen sollten. Ein Teil der Studierenden trug dabei Sonnenbrillen, ein anderer Teil Brillen mit klarem Glas. Nach dem Spiel füllten die Teilnehmenden einen Fragebogen aus, in dem sie ihre wahrgenommene Anonymität einschätzen sollten. Die Studierenden, die Sonnenbrillen trugen, teilten den Geldbetrag viel unfairer auf als diejenigen mit klarer Sicht. Beide Gruppen waren zwar objektiv gleich anonym, allerdings berichteten die Teilnehmenden mit Sonnenbrille ein stärkeres Gefühl der Anonymität als die der anderen Gruppe. Weitere Analysen zeigten, dass genau diese wahrgenommene Anonymität für das eigennützige Verhalten ausschlaggebend war.
Dieses Gefühl stärkerer Anonymität kann damit erklärt werden, dass Menschen annehmen, bei wahrgenommener Dunkelheit für andere schlechter erkennbar zu sein. Die eigene Perspektive (also zum Beispiel: es ist dunkel) ist für uns meist dominierend und wir übertragen sie auf andere. Dies ist ähnlich wie bei einem Kind, das Verstecken spielt: es hält sich die Hände vor die Augen, sieht selbst nichts mehr und meint deshalb, es sei für den Rest der Welt unsichtbar.
Zhong, C., Bohns, V. K. & Gino, F. (2010). Good Lamps Are the Best Police: Darkness Increases Dishonesty and Self-Interested Behavior. Psychological Science, 21 (3),311–314.
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