Ich bin außer dir gar nicht hier

- Anne Landhäußer –

Nach einer Trennung geht es uns auch deswegen so schlecht, weil wir erst einmal nicht wissen, wer wir ohne unsere bisherige zweite Hälfte eigentlich sind.

Max war nie ein Naturbursche. Seit er mit einer Frau zusammen ist, die es keinen Tag zuhause aushält, steigt er jedes Wochenende begeistert auf Bergen herum. Nina konnte Fußball nie etwas abgewinnen, doch weil ihre neue Liebe regelmäßig auf dem Rasen ist, steht sie nun ebenso regelmäßig enthusiastisch grölend auf den Rängen. Wer sich liebt, der wird sich ähnlich. Der teilt nicht nur das Bett, sondern sehr bald auch Freunde, Hobbys und Zukunftsvorstellungen. Wenn man alte Bekannte nach Jahren einmal wieder sieht, aber nicht wiedererkennt, dann liegt das meist an deren neuen Partnern. Und es hat ja auch sein Gutes: Geteilte Interessen stabilisieren eine Beziehung.

Aber was, wenn die Beziehung dennoch in die Brüche geht? Eine Trennung bedeutet nicht nur den Verlust eines geliebten Menschen. Gewissermaßen verlieren wir auch den Sinn für uns selbst. Wenn wir auch durch den Partner zu dem wurden, was wir sind, stellt sich nach einer Trennung unweigerlich die Frage: „Wer bin ich eigentlich ohne ihn?“ Dass unser Selbstkonzept – also das Bild, das wir von uns selbst haben – nach einer Trennung mächtig ins Wanken gerät, zeigte die amerikanische Psychologin Erica Slotter gemeinsam mit KollegInnen nun auch anhand mehrerer wissenschaft­licher Studien.

Das Forscherteam untersuchte beispielsweise Einträge in Internet-Tagebüchern und analysierte systematisch, wie sich die jeweiligen Blogger auf ihren Profilseiten selbst beschrieben. Es zeigte sich, dass Personen, die in ihren Blogs über eine kürzliche Trennung berichtet hatten, deutlich weniger Informationen über sich, ihre Eigenschaften und ihre Hobbys auflisteten als solche Personen, die kürzlich eine andere tiefgreifende Veränderung, nämlich einen einschneidenden Wechsel im Berufsleben, durchgemacht hatten. Außerdem verwendeten frisch getrennte Personen im Zusammenhang mit sich selbst vermehrt Wörter wie „verwirrt“, „widersprüchlich“ oder „unsicher“ im Vergleich zu anderen Blogger – sie waren sich über das eigene Selbst offensichtlich nicht mehr so sehr im Klaren.

In einer weiteren Untersuchung wurden Studierende, die sich in einer Beziehung befanden, über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg alle zwei Wochen über ihr eigenes Selbstkonzept, ihre Beziehung und ihre Gefühle befragt. Auch hier zeigte sich, dass Teilnehmende, die sich im Untersuchungs­verlauf von ihrem Partner trennten, unmittelbar nach der Trennung den Sinn für sich selbst verloren. Das Bild, das sie von sich selbst hatten, wurde durch den Verlust des Partners stark verunsichert, und dieser Effekt hielt für mehrere Wochen an. Die Daten zeigen außerdem, dass es gerade diese Unsicherheit über das eigene Selbstkonzept war, die den Studierenden nach ihrer Trennung zu schaffen machte und zu emotionalem Stress führte.

Damit nach einer Trennung zu dem Schmerz über den Verlust nicht auch noch eine eklatante emotionale Verunsicherung hinzukommt, ist es also wichtig, sich bewusst zu machen, dass man auch ohne den Anderen immer noch Mensch ist und Individuum – mit bestimmten Eigenschaften, Vorlieben, Hobbys und Freunden. Vielleicht bleibt die Freude am Klettern oder die Begeisterung für Fußball ja bestehen und Teil des eigenen Selbst, auch wenn der, der sie weckte, nicht mehr da ist.

Slotter, E. B., Gardner, W. L. & Finkel, E. J. (2010). Who am I without you? The influence of romantic breakup on the self-concept. Personality and Social Psychology Bulletin, 36 (2), 147–160.

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