Im Griff der Zeit

- H. Klein –

Ob wir unsere Aufgaben anhand festgelegter Zeiteinheiten oder anhand des Aufgabenablaufs organisieren, kann unser Gefühl von Kontrolle über unsere Aufgaben und somit auch unser Wohlbefinden beeinflussen.

Stellen Sie sich vor, Sie planen Ihren morgigen Arbeits­tag. Wie verfahren Sie dabei? Planen Sie eher nach festgelegten Zeiteinheiten, also beispielsweise: “10 – 12 Uhr PR-Text verfassen, 13 – 16 Uhr Präsentation vorbereiten“? Oder planen Sie Ihre Aufgaben eher unabhängig von der benötigten Zeit gemäß deren Ablauf, also zum Beispiel: “Punkt 1: PR-Text verfassen, Punkt 2: Präsentation vorbereiten“? Falls Ersteres der Fall ist, gehören Sie zu den sogenannten “Uhrzeitplanenden“, falls Zweiteres gegeben ist, zu den sogenannten “Ablaufplanenden“. Doch welche über die Planung hinausgehenden Aus­wirkungen haben diese unterschiedlichen Ansätze auf unser Denken und Fühlen?

Bisherige Forschung zeigt, dass Uhrzeitplanende bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verstärkt auf Effizienz achten. Sie teilen die Zeit geistig in einzelne, objektive Einheiten (zum Beispiel eine Stunde) und richten den Beginn und das Ende ihrer Aktivitäten nach der Uhrzeit aus. Für Ablaufplanende wiederum stehen Effektivität und Qualität im Vordergrund. Sie gehen unabhängig von der Uhrzeit erst dann zur nächsten Aufgabe über, wenn sie innerlich das Gefühl haben, dass die vorherige beendet ist.

Die Forschenden Anne-Laure Sellie und Tamar Avnet vermuteten, dass sich diese unterschiedlichen Herangehensweisen in der Aufgabenplanung auch auf das eigene Kontrollgefühl und Wohlbefinden auswirken können. So sollte das Planen in Zeiteinheiten dazu führen, dass wir uns in unserem Handeln von der Uhrzeit bestimmen lassen und weniger Kontrolle über unser Verhalten empfinden. Das dürfte wiederum zu einem geringeren Wohlbefinden führen, so die weitere Vermutung. Ist unsere Beschäftigung mit einer Aufgabe jedoch davon abhängig, ob wir persönlich sie für abgeschlossen halten, sollte uns das ein größeres Kontrollgefühl und somit auch ein größeres Wohlbefinden vermitteln. 

Um diese Annahmen zu überprüfen, ließ das Forschungs­team Studien­teilnehmende eine Yogastunde absolvieren. Hierbei wurde der Hälfte der Teilnehmenden dargelegt, wie lange jede einzelne Yogaposition gehalten werden solle; zudem war eine Uhr in Sichtweite (Uhrzeitplanung). Der anderen Hälfte wurde ohne Angabe der Dauer eine Position nach der anderen angekündigt; die Uhrzeit wurde darüber hinaus nicht angezeigt (Ablaufplanung). Nach der Yogastunde gaben die Teilnehmenden an, inwiefern ihrer Wahrnehmung nach sie selbst beziehungs­weise die Yogalehr­enden die Übungen kontrolliert hätten. Zudem wurden sie gefragt, welche Emotionen bei ihnen während der Stunde aufgetreten wären. So sollte das Wohlbefinden gemessen werden. 

Wie vermutet zeigte sich, dass die Uhrzeitplanenden während der Yogasitzung weniger Kontrolle über die Übungen empfunden hatten als die Ablaufplanenden. Für die Durchführung der Yogapositionen wurde von Ersteren  die Yogalehr­enden stärker­verantwortlich gemacht. Das verringerte Kontrollempfinden führte zudem zu weniger positiven Emotionen.

Welche Art der Aufgabenplanung wir verwenden, kann also unser Kontrollgefühl und unser Wohlbefinden beeinflussen. Die Forschenden betonen jedoch, dass trotz dieser Ergebnisse nicht festgelegt werden kann, dass die Ablaufplanung generell besser ist als die Uhrzeitplanung. So mag beispielsweise im Arbeits­kontext Letztere durchaus angemessen sein, da sie oftmals effizienter ist. In Lebens­bereichen wie der Freizeit, in denen das persönliche Wohlbefinden im Mittelpunkt steht, scheint jedoch die Aufgabenplanung zielführender zu sein.

Sellier, A.-L., & Avnet, T. (2014). So What If the Clock Strikes? Scheduling Style, Control, and Well-Being. Journal of Personality and Social Psychology, 107, 791–808. dx.doi.org/10.1037/a0038051

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Svenja Seeger

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