Let me take a selfie!

- Lilly Hartmann –

Menschen, die häufig Selfies aufnehmen, überschätzen besonders stark, wie attraktiv und sympathisch sie auf diesen Fotos wirken.

Ob im Urlaub, auf einem Konzert oder auf Partys – seit einigen Jahren nehmen immer mehr Menschen Fotos von sich auf, indem sie eine Kamera auf sich richten und selbst den Auslöser drücken. Sie machen sogenannte „Selfies“. Die Kontrolle über die Kamera ermöglicht es ihnen, sich so zu präsentieren, wie sie wohl in den meisten Fällen gerne gesehen werden möchten, nämlich möglichst vorteilhaft. Diese Bilder werden anschließend häufig auf sozialen Internetplattformen wie Facebook oder Instagram hochgeladen, damit sie dort von anderen betrachtet werden können. Aber erfüllen Selfies tatsächlich den gewünschten Effekt? Wie hoch ist also die Übereinstimmung zwischen selbst- und fremdeingeschätzter Wirkung von Selfies?

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Menschen dazu neigen, ihre positiven Eigenschaften zu überschätzen und die negativen zu unterschätzen. So stufen sie oft auch zu hoch ein, welchen Eindruck sie nach außen vermitteln. Auf diesen Befunden aufbauend vermutete ein Forschungs­team um Daniel Re, dass Personen überschätzen, wie attraktiv und sympathisch sie auf Selfies wirken. Dies sollte insbesondere für Menschen gegeben sein, die häufig Selfies von sich machen, da sich durch die wiederholte Selbstinszenierung die überhöhte Selbstwahrnehmung festsetzen dürfte.

Um ihre Hypothesen zu testen, wurden Teilnehmende einer Untersuchung gebeten, ein Selfie zu machen. Zusätzlich schoss die Versuchsleitung ein Foto von den Personen. Nun sollten die Befragten beurteilen, wie attraktiv und sympathisch sie auf ihren beiden Fotos wirkten. Zudem gaben sie an, wie häufig sie üblicherweise Selfies aufnahmen und wie wichtig es ihnen war, von anderen als überlegen und großartig wahrgenommen zu werden. Mit letzterem wurde der Narzissmus der Teilnehmenden gemessen. Schließlich wurden die Fotos in zufälliger Reihenfolge Personen einer zweiten, unabhängigen Gruppe vorgelegt. Diese bewerteten die Abgebildeten in Bezug auf Attraktivität, Sympathie und Narzissmus.

Wie erwartet zeigte sich, dass die Teilnehmenden ihre Attraktivität und Sympathie auf den Fotos grundsätzlich höher einschätzten als die unabhängig Urteilenden. Bezüglich der Selfies war diese Überschätzung jedoch bei den Teilnehmenden, die häufig Selfies machten, wesentlich stärker ausgeprägt als bei denjenigen, die sich nur selten selbst fotografierten. Darüber hinaus gingen insbesondere die Personen der ersten Gruppe davon aus, auf ihren Selfies besser zu wirken als auf den von der Versuchsleitung geschossenen Fotos. Wie viele Selfies die Befragten üblicherweise machten, war dabei unbeeinflusst von ihren Narzissmus-Werten. Im Gegensatz dazu schätzten die unabhängig Beurteilenden die Teilnehmenden auf ihren Selfies grundsätzlich nicht nur weniger attraktiv und weniger sympathisch, sondern auch narzisstischer ein als auf den Fotos, welche die Versuchsleitung aufgenommen hatte.

Insgesamt lässt sich also festhalten, dass Selfies womöglich ihren Zweck verfehlen. Obwohl sie dazu dienen sollen, einen Menschen möglichst positiv darzustellen, wird unter Umständen der gegenteilige Effekt erzielt. So können die auf den Selfies abgebildeten Personen nicht nur weniger attraktiv und sympathisch auf andere wirken, sondern darüber hinaus den Eindruck von einem narzisstischen Charakter erwecken. Durch diese Befunde werden Selfie-Liebhabende vielleicht zum Denken angeregt und lassen sich nun möglicherweise wieder etwas häufiger von anderen ablichten.

Re, D. E., Wang, S. A., He, J. C., & Rule, N. O. (2016). Self indulgence: Self-favoring biases in perceptions of selfies. Social Psychological and Personality Science, 7, 588–596. doi: 10.1177/1948550616644299

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Anna Bruk
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