Liebe und der Blick fürs Ganze

- Gesine Roewer –

Gedanken an Liebe fördern kreatives Problemlösen, Gedanken an Sex dagegen analytisches Denken.

Ein Händler für antike Münzen bekam das Angebot, eine wunderschöne Bronzemünze zu erwerben. Auf der einen Seite der Münze war der Kopf eines Kaisers und auf der anderen das Datum „544 vor Christus“ eingeprägt. Der Händler betrachtete die Münze, doch anstatt sie zu kaufen rief er die Polizei. Warum?

Der Sozialpsychologe Jens Förster und seine Arbeits­gruppe fanden heraus, dass kreative Problemlöseaufgaben wie diese besser gelöst werden, wenn man zuvor an einen Spaziergang mit dem oder der Liebsten gedacht hat. Gedanken an Sex mit einer Person, die man zwar attraktiv findet, aber nicht liebt („purer Sex“) führen dafür zu besseren Ergebnissen bei analytischen Aufgaben wie: Wenn Jens kleiner als Kai ist, und Amina größer als Kai, dann ist Jens größer oder kleiner als Amina?

Die Forscher erklären dieses Ergebnis folgendermaßen: Wer an Liebe denkt, sieht die Dinge als Ganzes. Man träumt von seinen Zielen und Vorstellungen, blickt in die Zukunft und verliert dabei manchmal den Fokus für das „Hier und Jetzt“. Deswegen sind Menschen, die an Liebe denken, besser in der Lage, global, im Ganzen, zu denken. Dieses globale Denken fördert die Fähigkeit, Dinge miteinander in Beziehung zu stellen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nichts miteinander zu tun haben. Mit diesem Blick aufs Ganze erkennt man im obigen Beispiel, dass die Münzhersteller 544 vor Christi Geburt nicht auf dieses zukünftige Ereignis Bezug nehmen konnten, die Münze also eine Fälschung sein muss.

Wer sich hingegen puren Sex ohne Liebe vorstellt, denkt mehr an das Hier und Jetzt, weil erstmal nur das wichtig ist, was in diesem Augenblick passiert. Das fördert den Blick für Details. Genau dieser Fokus ist notwendig um gut analytisch denken zu können. Deshalb konnten die Probanden unter der Voraussetzung, dass sie sich Sex (ohne Liebe) vorstellten, die analytischen Aufgaben besser lösen.

Die Arbeits­gruppe um Förster isolierte in ihrer Studie Liebe und Sex. Doch natürlich gehören die beiden in der Realität oft zusammen. Wie und ob es unseren Denkstil beeinflusst, wenn Liebe und Sex zusammen vorkommen, bleibt offen. Man kann allerdings spekulieren, dass manche langfristigen Themen, die den Blick auf das Ganze brauchen, besser nicht im Bett besprochen werden.

Förster, J., Epstude, K., Özelsel, A. (2009). Why Love Has Wings and Sex Has Not: How Reminders of Love and Sex Influence Creative and Analytic Thinking. Personality and Social Psychology Bulletin, 35, 1479 – 1491.

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