Mama will den Ball!

- Natascha Wartmann –

Schon acht Monate alte Babys erkennen, dass hinter Handlungen Ziele stecken.

 

Im Säuglings-Alltag gibt es zahlreiche Szenen, in denen Eltern Dinge aufheben oder bereitlegen, wegnehmen oder aufräumen, hinstellen oder weglegen. Ab welchem Alter nehmen Babys solche Handlungen nicht nur beschreibend, sondern zielgerichtet wahr? Wann erkennen Babys hinter „Mama bückt sich“ und „Papa hebt den Arm“ (beschreibend), dass Mama den Ball aufheben und Papa den Schrank öffnen will? Kurzum, ab welchem Alter verstehen Babys, dass eine Handlung ziel­orientiert ist? Und ab welchem Alter verstehen Babys, dass selbst hinter einer fehlgeschlagenen Handlung (Mama greift am Ball vorbei) ein Ziel stecken kann (Mama will den Ball!)?

Um diese Fragen zu klären, haben die Forscherin Amanda Brandone und ihr Kollege Henry Wellman acht, zehn und zwölf Monate alten Babys Videosequenzen vorgespielt, in denen eine Person an einem Tisch sitzt. Auf dem Tisch steht eine kleine Barriere, die die Person von einem Ball trennt, der ebenfalls auf dem Tisch liegt. Im Video ist zu sehen, dass die Person über die Barriere in Richtung Ball greift und den Ball aufnimmt. Dieses Video wird mehrmals wiederholt, so dass sich die Babys an die Bewegung gewöhnen. Dann verändert sich die Situation, indem die Barriere entfernt wird. Die Person im Video greift nun entweder immer noch bogenförmig nach dem Ball (quasi als ob die Barriere noch da wäre) oder aber direkt. Babys, die das Handeln der Person nur beschreibend wahrnehmen (Person greift bogenförmig über Barriere), sollten nun länger auf dasjenige Video schauen, bei dem die Person direkt zum Ball greift, da diese Bewegung neu ist. Haben die Babys jedoch das Ziel hinter der Handlung erkannt (den Ball wollen), dann sollten sie länger auf die bogenförmige Bewegung schauen, weil diese Handlung aus einer Zielperspektive wenig Sinn macht (man kann den Ball ja auf direktem Weg erreichen).

Die Ergebnisse zeigen, dass schon acht Monate alte Babys den Sinn hinter einer Handlung erkennen. Allerdings erkannten die Babys erst mit zehn Monaten das Ziel hinter einer Handlung, wenn diese nicht erfolgreich war, die Person also am Ball vorbei griff. Das Verständnis von zielgerichtetem Handeln scheint sich damit schrittweise zu entwickeln: zuerst entsteht das Verständnis für erfolgreiche beabsichtigte Handlungen und dann das Verständnis für fehlgeschlagene beabsichtigte Handlungen. Zusammen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass durchschnittlich zwischen dem achten und zehnten Monat, und damit relativ früh, ein Verständnis von zielgerichtetem Handeln bei Babys entsteht.

Brandone, Amanda C. & Wellman, Henry M. (2009). You can’t always get what you want. Infants understand failed goal-directed actions. Psychological Science, 20, 85–91.

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