Mit Hilfe der Vergangenheit glücklicher durch die Gegenwart

- Gerhard von Stockum –

Nostalgische Erinnerungen können uns helfen mit Einsamkeit umzugehen.

Wir alle fühlen uns manchmal einsam. Was können wir dagegen tun? Natürlich könnten wir direkt etwas unternehmen: Raus gehen, mit neuen Leuten in Kontakt kommen oder uns mal wieder mit dem alten Kumpel oder der Freundin von früher treffen. Aber oft fällt uns das schwer, denn wir fühlen uns ja gerade nicht so gut. Es könnte auch sein, dass wir gerade umgezogen sind und keine Freunde in der Nähe sind. Also was dann?

Ein psychologisches Forschungs­team um Xinyue Zhou hat herausgefunden, dass wir auch einen anderen, indirekten Weg nehmen können, um mit unserer Einsamkeit umzugehen. Dieser Weg führt über die Nostalgie, dem Schwelgen in Erinnerungen. Nostalgische Erinnerungen sind gekennzeichnet durch die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten. In diesen nostalgischen Erinnerungen ist man selbst fast immer die Hauptperson und Menschen, die einem nahe stehen, umgeben einen: Ach ja, damals mein 18. Geburtstag… oder Dieser Sonnen­untergang in Spanien mit der ersten Liebe… Auch wenn solche Erinnerungen zum Teil eine negative Komponente haben, gerade weil sie vergangen sind, so wecken sie doch größtenteils positive Emotionen. Sie geben uns das Gefühl, dass es da doch jemanden gibt (oder zumindest gab), der einem nahe steht. Das Forschungs­team konnte experimentell zeigen, dass genau dieser Mechanismus dazu führt, dass wir unsere gegenwärtige Einsamkeit als weniger schlimm wahrnehmen und besser damit umgehen können.

In einer ihrer Studien wurden dazu Studierende zufällig auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe sollte sich nostalgische Erinnerungen ins Gedächtnis rufen, während die andere Hälfte an alltägliche Dinge denken sollte. Im Anschluss sollten die Studierenden aufschreiben, wie viele Freunde sie zur Verfügung haben, die ihnen bei Bedarf helfen würden und wie stark sie sich sozial unterstützt fühlen. Bemerkenswert war, dass die Personen der ersten Gruppe eine höhere wahrgenommene soziale Unterstützung berichteten und auch mehr verfügbare Freunde nennen konnten. Es zeigte sich also, dass Nostalgie tatsächlich dazu  führt, dass wir uns gegenwärtig weniger allein fühlen.

Zusätzlich fanden die Forscher, dass Einsamkeit nostalgische Erinnerungen quasi automatisch fördert und diese Erinnerungen uns in einem zweiten Schritt dabei helfen, mit der Einsamkeit umzugehen. Wir unterscheiden uns jedoch darin, wie stark Einsamkeit nostalgische Erinnerungen hervorbringt. Interessanterweise konnte das Forschungs­team zeigen, dass gerade Leute, die sehr belastbar sind und sich schnell wieder von persönlichen Rückschlägen erholen, eher nostalgisch werden, wenn sie sich einsam fühlen.

Wir sehen also, dass die Vergangenheit uns, wenn wir sie entsprechend nutzen, durchaus helfen kann, die Gegenwart zu bewältigen. Deswegen: Wenn Sie sich das nächste Mal wieder einsam und allein fühlen, denken Sie doch einfach mal wieder an die „gute alte Zeit“.

Zhou, X., Sedikides, C., Wildschut, T., Gao, D.-G.: Co­unteracting Loneliness: On the Restorative Function of Nostalgia. Psychological Science,19 (10), 1023-1029.

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