Nach dieser Zigarette hör’ ich auf ...

- Rainer Greifeneder –

Wer gerade einer Versuchung nachgegeben hat, glaubt fälschlicherweise, ihr zukünftig widerstehen zu können.

Auf der Liste guter Vorsätze stehen Nicht-mehr-rauchen und Abnehmen häufig ganz oben. Immer wieder soll die Zigarette im Mund die letzte sein oder die Packung Chips dem Jogginganzug weichen. Doch warum werden gute Vorsätze so häufig auf das nächste Mal verschoben?

In Zuständen „gesättigter Impulse“ (also zum Beispiel mit der Zigarette oder den Chips im Mund) überschätzen wir unsere Fähigkeit, diesen Versuchungen zukünftig zu widerstehen. Diese Überschätzung wird uns im nicht-gesättigten Zustand zum Verhängnis, da wir der Versuchung doch nicht widerstehen können und die nun aber wirklich letzte Zigarette anstecken oder zur ehrlich letzten Packung Chips greifen. Eine Gruppe niederländischer Studierender hat diese Zusammenhänge selbst leidvoll erfahren. Sie sollten entweder vor oder nach dem Mittagessen sieben Snacks der Präferenz nach ordnen. Danach durften sie einen der Snacks als Geschenk auswählen. Zusätzlich wurden jedem Teilnehmenden vier Euro versprochen, wenn sie oder er den Snack eine Woche später an gleicher Stelle wieder vorzeigen würde. Die Forscher­gruppe um Loran Nordgren nahm an, dass satte im Vergleich zu hungrigen Studierenden ihre Fähigkeit überschätzen würden, der Versuchung des Snacks zu widerstehen, und daher eher ihren Lieblingssnack auswählen würden – schließlich kann man sich dieser Versuchung ja getrost aussetzen, wenn man seine Essgelüste unter Kontrolle hat. Allerdings hält das Mittagessen nicht ewig an, und dann wird die Überschätzung der Selbstkontrolle zum Verhängnis. Und tatsächlich wählten Studierende mit vollen Bäuchen attraktivere Snacks und brachten diese seltener eine Woche später zurück, weil sie ihrem Lieblingssnack doch nicht widerstehen konnten.

Diese Fehleinschätzung kann selbst dann noch fatale Folgen haben, wenn man den ersten Schritt geschafft und sich beispielsweise Zigaretten oder Chips eine Weile verkniffen hat. Denn mit dem Nachlassen der Gelüste und eventueller Entzugserscheinungen, also quasi im dauerhaft gesättigten Zustand, steigt wiederum die irrige Überzeugung an, der Versuchung zukünftig widerstehen zu können. Die Forscher untersuchten dafür eine Gruppe von weiblichen und männlichen Rauchern, die drei Wochen lang erfolgreich an einem Entwöhnungs­programm teilgenommen hatten. Diese neuen Nicht-Raucher wurden aufgeteilt in solche, die ihre Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen, hoch einschätzten – und solche, die diese Fähigkeit gering beurteilten. Außerdem wurde erfasst, wie sehr sich die Teilnehmenden freiwillig in Versuchung führen ließen, beispielsweise indem sie Freunde in die Raucherpause begleiten. Vier Monate später wurde dann geprüft, wer noch immer Nicht-Raucher ist, und wer wieder zur Zigarette gegriffen hat. Tatsächlich ließen sich Teilnehmende mit hohen Kontrollüberzeugungen eher wieder in Versuchung führen und wurden auch häufiger wieder rückfällig.

Die Kontrolle über die eigenen Impulse richtig einzuschätzen ist damit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wenn dies gelingt, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Umsetzung unserer guten Vorsätze besser.

Loran F. Nordgren, Frank van Harreveld, Joop van der Pligt (2009). The restraint bias: How the illusion of self-restraint promotes impulsive behavior. Psychological Science, 20 (12), 1523-1528.

Dieser Artikel ist in Psychologie heute erschienen (April 2010). www.psychologie-heute.de

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