Never walk alone... warum eigentlich nicht?

- Kristina Gand –

Für unser Stressempfinden kann es besser sein, Situationen allein zu meistern als unterstützende Personen an unserer Seite zu haben.

Haben auch Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, zu einem wichtigen Termin gute Freunde oder Bekannte mitzunehmen, damit diese Sie unterstützen und Ihnen Mut zusprechen? Schließlich wirkt doch schon die alleinige Anwesenheit von anderen beruhigend auf Ihr Stressempfinden – oder? Zahlreiche wissenschaft­liche Studien zeigen, dass soziale Unterstützung nicht nur das Wohlbefinden fördert, sondern auch die psychologischen und biologischen Stressreaktionen bedrohlicher Ereignisse abmildert. Neue Er­kenntnisse aus der Wissenschaft stellen jetzt jedoch die letztere, bisher allgemein anerkannte Tatsache in Frage.

So untersuchten Shelley Taylor und ihre KollegInnen von der University of California, welchen Einfluss ein unterstützendes Publikum, ein nicht unterstützendes Publikum und kein Publikum auf psychologische und biologische Stressreaktionen haben. Dabei wurden sowohl Veränderungen der Herzfrequenz, des Blutdrucks, als auch des Stresshormons Cortisol dokumentiert.

Die Aufgabe der Studien­teilnehmerInnen bestand darin, eine Rede vorzubereiten, die sie im Anschluss selbst halten sollten, was ein stressförderndes Ereignis für die TeilnehmerInnen darstellte. In der „kein Publikum“-Bedingung sollte diese Rede ausschließlich vor dem Versuchsleiter gehalten werden, der den ProbandInnen jedoch keine Aufmerksamkeit schenkte. In der „negatives Publikum“-Bedingung signalisierten zwei weitere anwesende Personen nonverbal ihre Frustration über die Qualität der Rede (warfen sich gegenseitig gelangweilte Blicke zu). In der „positives Publikum“-Bedingung zeigten diese zwei Personen Begeisterung über die Qualität der Rede, indem sie lächelten und begeisterte Blicke austauschten.

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass ProbandInnen sowohl in der „negatives Publikum“-Bedingung als auch in der „positives Publikum“-Bedingung einen erhöhten Blutdruck, eine höhere Herzfrequenz und einen höheren Cortisolwert aufwiesen als ProbandInnen in der „kein Publikum“-Bedingung. Stressreaktionen werden also unabhängig davon ausgelöst, ob sich das Publikum unterstützend verhält oder nicht. Allein die Tatsache von anderen Personen bewertet zu werden, löst bei Menschen Stressreaktionen aus und hebt somit etwaige bestehende vorteilhafte Effekte eines unterstützenden Publikums auf. Diese Ergebnisse konnten nicht durch Persönlichkeits­eigenschaften der TeilnehmerInnen erklärt werden.

Obwohl diese Studie nicht zwischen fremden und bekannten Personen differenzierte, können wir das nächste Mal also doch beruhigt alleine zu unserem wichtigen Termin gehen. Denn wahrscheinlich wird es uns—zumindest bezogen auf unser Stresslevel—nicht besser ergehen, wenn uns andere Menschen bei dieser Aufgabe beistehen.

Taylor, S. E., Seeman, T. E., Eisenberger, N. I., Kozanian, T. A., Moore, A. N. & Moons, W. G. (2010). Effects of a supportive or an unsupportive audience on biological and psychological responses to stress. Journal of Personality and Social Psychology, 47–56.

© Forschung erleben 2010, alle Rechte vorbehalten

Zurück