Optimismus – ein Wundermittel für die geistige Leistung?

- Clara Brossmann & Lea Woeste –

Personen glauben häufig an einen positiven Einfluss von Optimismus auf die geistige Leistung, obwohl selbiger meist nicht gegeben ist.

„Das Glas ist halb voll, nicht halb leer!“ Diese Aussage ist eine Redewendung, welche die Einstellung optimistischer Menschen darstellen soll. Optimismus ist also die Neigung, Situationen von der besseren Seite zu betrachten. Diese Art des positiven Denkens hat vergangener Forschung zufolge einen förderlichen Einfluss beispielsweise auf die Gesundheit oder Lebens­freude. Weiter konnte gezeigt werden, dass Menschen oftmals annehmen, Optimismus führe auch zu einer besseren geistigen Leistung. Aber stimmt das?

Ein amerikanisches Forschungs­team um Elizabeth Tenney untersuchte, ob Optimismus gemäß der menschlichen Erwartung die geistige Leistung beeinflusst. Demnach sei häufig ein Zusammenhang zwischen Optimismus und Leistung beobachtbar, doch dieser ließe sich meist über dritte Faktoren (z.B. tatsächliche Fähigkeiten) erklären. So sei es beispielsweise denkbar, dass optimistische SchülerInnen häufig nur deshalb eine bessere Leistung erbringen, da sowohl Optimismus wie auch die Schulleistung von geistigen Fähigkeiten beeinflusst werden. Die Forschenden vermuteten demzufolge, dass der tatsächliche Effekt vom Optimismus auf die geistige Leistung von Personen überschätzt werde.

Diese Annahme wurde in einer Reihe von Studien überprüft. Dabei wurden die Teilnehmenden zufällig der Gruppe der „Getesteten” oder der „Beobachtenden” zugeteilt. Die Getesteten absolvierten zunächst einen Vortest mit Matheaufgaben. Anschließend wurden sie zufällig in zwei weitere Gruppen geteilt. Die Teilnehmenden der Gruppe A wurden darüber informiert, dass man aufgrund ihrer im Vortest erbrachten Leistung erwarte, dass sie 70% der Aufgaben im nun folgenden Mathetest lösen würden. Dies sollte bei den Befragten einen hohen Optimismus hervorrufen. Die Teilnehmenden der Gruppe B erhielten hingegen die Information, dass ihre erbrachte Leistung darauf schließen ließe, dass sie 30% der nun folgenden Aufgaben lösen würden und sollten damit kaum optimistisch gestimmt sein. Die Getesteten sollten nun einschätzen, wie optimistisch sie sich fühlten und welche Ergebnisse sie im Haupttest zu erreichen glaubten. Letztlich bearbeiteten sie noch den zweiten Test. Die Beobachtenden wurden demgegenüber über den Aufbau der Studie aufgeklärt und erfuhren, dass die Rückmeldung für die Getesteten manipuliert war. Anschließend sollten auch sie den Optimismus und die Leistung der beiden Gruppen einschätzen.

Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden der Gruppe A optimistischer gestimmt waren als diejenigen der Gruppe B. Zudem erwarteten Teilnehmende der Gruppe A eine bessere Leistung im Haupttest. Die Vorhersagen der Beobachtenden deckten sich dabei mit den Getesteten. Doch anders als von den Teilnehmenden erwartet, zeigte sich kein Unterschied in der tatsächlich erbrachten Leistung zwischen den optimistischen und kaum optimistischen Teilnehmenden.

Das Experiment weist darauf hin, dass sich Optimismus faktisch kaum auf die geistige Leistung auswirkt. Aber ist es demnach irrelevant, ob das Glas halb voll oder halb leer ist? Auf die geistige Stärke scheint die unterschiedliche Sichtweise keinen Einfluss zu haben. Aufgrund der positiven Aus­wirkungen auf andere Faktoren wie die Gesundheit oder die Beharrlichkeit ist es in vielen Situationen vermutlich dennoch zuträglich, optimistisch an Aufgaben heranzugehen.

Tenney, E. R., Logg, J. M., & Moore, D. A. (2015). (Too) optimistic about optimism: The belief that optimism improves performance. Journal of Personality and Social Psychology, 108(3), 377–399. doi:10.1037/pspa0000018

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Sebastian Butz

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