Sehen und gesehen werden

- Nicole Heller –

Da Personen mit VIP-Status meist stärker als reguläre Gäste eines Nachtclubs vermuten, von anderen positiv wahrgenommen zu werden, und dies wahrscheinlich ihren Selbstwert fördert, sind sie in der Situation häufig zufriedener.

VIP – diese drei Buchstaben stehen für „very important person“. Sie  begegnen einem heutzutage in den unterschiedlichsten Situationen. So gibt es beispielsweise Bereiche in Nachtclubs und auf Konzerten oder auch Angebote beim Shoppen oder Fliegen, die ausschließlich für die Gruppe der VIPs reserviert sind. Um zu dieser Gruppe dazuzugehören, sind KundInnen oftmals bereit, einen stattlichen Aufpreis zu zahlen – und das obwohl die erhaltene Dienstleistung häufig gar nicht bedeutend besser ist als die für die regulären VerbraucherInnen. Doch woher kommt der Wunsch, ein VIP-Mitglied zu sein, wenn damit nicht unbedingt Vorteile im Service verbunden sind?

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Menschen nach einem möglichst positiven Selbstbild streben, also die eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten als wertvoll einschätzen möchten. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, werden oftmals Vergleiche mit Individuen oder Gruppen durchgeführt, die statusniedriger sind. Durch die Feststellung der eigenen Überlegenheit wird häufig der Selbstwert gesteigert. Eine Forschungs­gruppe um Paul Fombelle vermutete nun, dass es die Möglichkeit zu diesem „Abwärtsvergleich“ ist, welche den VIP-Status für KundInnen attraktiv macht und letztlich zu einer größeren Zufriedenheit mit der Dienstleistung führt. Entscheidend sollte dabei aber nicht sein, wie sich die VIP-Mitglieder selbst sehen, sondern deren Annahme, von außen als überlegen wahrgenommen zu werden. Als Nicht-VIP-Gast andere bei dem exklusiven Erleben beobachten zu müssen und die Vorstellung, von diesen als minderwertig wahrgenommen zu werden, sollte demgegenüber Gefühle der eigenen Unzulänglichkeit und somit letztlich eine geringere Zufriedenheit mit der Dienstleistung nach sich ziehen.

Um diese Annahmen zu überprüfen, führte das Forschungs­team eine Studie in einem simulierten Nachtclub durch. Hierbei wurden die Teilnehmenden zufällig der Gruppe der VIPs oder der regulären Gäste zugeteilt. Während erstere Zutritt zu dem VIP-Bereich hatten, sollten sich letztere im öffentlichen Teil des Clubs aufhalten. Der Service (z.B. räumliche Ausstattung oder Getränke) war jedoch in beiden Bereichen identisch. Nach 20 Minuten wurden die Teilnehmenden gefragt, wie gut sie ihrer Vermutung nach in der Situation auf andere gewirkt hätten und wie zufrieden sie mit ihrer Gruppen­zugehörigkeit gewesen wären. Wie erwartet zeigte sich, dass die Teilnehmenden in der VIP-Bedingung stärker als die übrigen Befragten davon ausgingen, von anderen positiv wahrgenommen worden zu sein. Dies führte letztlich zu einer höheren Zufriedenheit.

In weiteren Fragebogen-Studien schätzten die „VIP-Teilnehmenden“, dass ihre Zufriedenheit mit der Erfahrung in einem Nachtclub am größten wäre, wenn die beiden räumlich getrennten Club-Bereiche für alle Besuchenden frei einsehbar wären. Die „regulären Teilnehmenden“ gaben demgegenüber an, dass sie am zufriedensten wären, wenn beide Bereiche auch durch einen Sichtschutz voneinander getrennt würden. Die Forschenden führten dies darauf zurück, dass soziale Vergleichsprozesse umso stärker in Gang gesetzt werden, je größer die Sichtbarkeit der unterschiedlichen Erfahrungen ist.

Diese Studien machen deutlich, dass man sehr behutsam mit dem gleichzeitigen Service für VIPs und reguläre Gäste umgehen muss, wenn man beide Gruppen zufriedenstellen möchte.  Denn die sozialen Vergleichsprozesse können hier in unterschiedliche Richtungen wirken.

Fombelle, P. W., Sirianni, N. J., Goldstein, N. J., & Cialdini, R. B. (2015). Let them all eat cake: Providing VIP services without the cost of exclusion for non-VIP customers. Journal of Business Research, 68, 1987-1996. doi: dx.doi.org/10.1016/j.jbusres.2015.01.018

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Sebsastian Butz

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