Sehen von Schwarz und Weiß = „Schwarz-Weiß-Denken“?

- Simona Maltese –

Die Konfrontation mit dem Farbkontrast Schwarz-Weiß kann „Schwarz-Weiß-Denken“ fördern.

Heinz M. hat Geld gestohlen, um ein lebens­rettendes Medikament für seine todkranke Frau bezahlen zu können. Hat er richtig oder falsch gehandelt? „Ach, solch ein Schwarz-Weiß-Denken…“ sagen Sie sich jetzt vielleicht – aber warum eigentlich? Was haben die Farben Schwarz und Weiß mit unserem Denken zu tun? Sicher versinnbildlichen sie Gegensätze, die so charakteristisch für das „Schwarz-Weiß-Denken“ sind – da gibt es nur Richtig und Falsch oder Gut und Böse, jedoch keine „Grauzonen“ passend zur Mischfarbe von Schwarz und Weiß. Existiert also ein Zusammenhang zwischen Farben und unserer Art zu denken?

Ja! – vermuteten die Forscherinnen Theodora Zarkadi und Simone Schnall. Tatsächlich hat Forschung bereits belegt, dass die Farbe Weiß mit moralischer Reinheit, die Farbe Schwarz hingegen eher mit Immoralität und Aggressivität assoziiert wird. Zarkadi und Schnall nahmen nun weiter an, dass der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß sogar zu Schwarz-Weiß-Denken bei moralischen Urteilen führen kann.

Zur Über­prüfung dieser Annahme ließen sie ihre Studien­teilnehmenden die Beschreibung eines moralischen Dilemmas lesen. Dieses war der Situation von Heinz sehr ähnlich, der Geld zur Beschaffung eines Medikaments für seine kranke Frau stahl. Das Verhalten der zentralen Person dieses Dilemmas konnte nun als lobenswerte Tat oder als krimineller Akt gesehen werden. Die Teilnehmenden sollten dies beurteilen und dabei sieben Abstufungen für die Einschätzung des Verhaltens von 1 (=richtig) bis 7 (=falsch) vornehmen. 

Um die Aus­wirkungen eines farblichen Schwarz-Weiß Kontrasts zu untersuchen, wurde das Dilemma einigen Teilnehmenden vor einem Hintergrund mit schwarzen und weißen Kästchen dargeboten, während es anderen Teilnehmenden vor einem neutralen grauen Hintergrund präsentiert wurde. Die restlichen Teilnehmenden sahen das Dilemma vor einem Hintergrund mit gelben und blauen Kästchen. Somit konnte zusätzlich untersucht werden, ob Farbkontraste generell das moralische Urteil beeinflussen. 

Tatsächlich gaben Personen, die das Dilemma vor dem schwarz-weißen Hintergrund gesehen hatten, extremere moralische Urteile ab, als die anderen Teilnehmenden. Sie stuften insgesamt also klar ein, ob sie das Verhalten als richtig oder auch als falsch ansahen. Hingegen wählten die Teilnehmenden, welche dem neutralen Hintergrund oder Gelb-Blau Kontrast ausgesetzt waren, eher eine Abstufung in der Mitte aus und bewerteten das Verhalten somit weniger deutlich als richtig oder falsch. In einer weiteren Studie konnten die Forscherinnen diese Extremisierung der moralischen Urteile in Anwesenheit eines Schwarz-Weiß Kontrasts auch in der Bewertung allgemeiner Angelegenheiten (z.B. einem Seitensprung, Müll auf die Straße werfen oder Rauchen) belegen.

Die Konfrontation mit dem Kontrast der Farben Schwarz und Weiß führte in den Studien also zu einem verstärkten Schwarz-Weiß-Denken. Laut den Ergebnissen sollte man sich also gut überlegen, wo moralische Diskussionen geführt werden. So scheint ein Ort mit schwarz-weißen Bodenfliesen beispielsweise ungeeignet zu sein für eine gemäßigte Diskussion mit Jugendlichen, die ihre Grenzen austesten, oder bei Rechts­personen, die über eine Tat urteilen sollen.

Zarkadi, T., & Schnall, S. (2013). “Black and White” thinking: Visual contrast polarizes moral judgment. Journal of Experimental Social Psychology, 49, 355–359. 

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