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- Leander Steinkopf –

Denkt man konkreter über Aufgaben nach, erledigt man sie früher.

Eigentlich wollte ich diesen Artikel schon vor vier Wochen schreiben. Morgen ist Abgabetermin und wenn ich gleich den nächsten Punkt setze, habe ich gerade einmal zwei Sätze. Punkt. Sicher würde ich mir viel Stress ersparen, wenn ich das, was ich jetzt erledigen könnte, nicht erst im letzten Moment anfinge. Ob man dieses Phänomen nun Aufschieberitis nennt oder dafür den psychologischen Fach­begriff Prokrastination verwendet: Es gibt viele, die dieses Problem haben und darüber nachdenken, wie schön es wäre, dies in Zukunft in den Griff zu kriegen.

Eine Möglichkeit dazu demonstrieren der Psychologe Sean M. McCrea und seine KollegInnen. Sie beziehen sich auf vorangegangene Forschung, die ergab, dass Menschen über weit in der Zukunft liegende Aufgaben anders denken als über Aufgaben, die sehr bald zu erledigen sind. Über weit entfernte Aufgaben denkt man abstrakt nach, man überlegt beispielsweise, ob sie lohnenswert und angenehm sind oder welche höheren Ziele damit erreicht werden können. Rückt eine Aufgabe näher, wird das Denken konkreter, man beginnt über das genaue Vorgehen und die einzelnen Arbeits­schritte bei der Aufgabe nachzudenken.

McCrea und seine KollegInnen stellten diesen plausiblen Mechanismus auf den Kopf. Sie wollten zeigen, dass man Menschen dazu bringen kann, eine Aufgabe zeitig zu erledigen, indem man sie dazu veranlasst, konkret und nicht abstrakt über sie nachzudenken.

Die Forscher überprüften ihre Theorie, indem sie versuchten, ProbandInnen dazu bringen, Fragebogen früher ausgefüllt zurückzugeben, als sie das für gewöhnlich tun. Hierzu entwarfen sie zwei verschiedene Deckblätter. Das eine sollte eine abstrakte Denkweise hervorrufen, indem es ein komplettes Gemälde zeigte und den Titel: „Kunst & Farbe: Ein allgemeiner Überblick“. Das andere Deckblatt hingegen sollte eine konkrete Denkweise erzeugen, indem es einen vergrößerten Ausschnitt des Gemäldes zeigte, an dem man die Maltechnik des Künstlers erkennen konnte. Außerdem trug dieser Fragebogen den Titel: „Kunst & Farbe: Eine detaillierte Untersuchung“. Die verschiedenen Fragebogen wurden an Studierende verteilt mit der Bitte, dass sie ihre Antworten innerhalb von drei Wochen per Email einsenden sollten. Die Forscher interessierten sich dabei weniger für die Antworten der Teilnehmenden, als vielmehr dafür, wann die Emails abgesendet wurden.

Tatsächlich brauchten die Studierenden, die zu abstraktem Denken über den Fragebogen angeregt wurden, signifikant länger um die Antworten einzuschicken, als diejenigen, die zu konkretem Denken veranlasst wurden  – und dies, obwohl die Fragebogen in beiden Bedingungen als gleich interessant und gleich wichtig bewertet wurden.

Jetzt weiß ich also, was zu tun ist. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, eine Aufgabe rechtzeitig zu erledigen, muss man konkreter über sie nachdenken. Es ist wohl sinnvoll, sich zum Beispiel detaillierte Gedanken über die Tätigkeit zu machen und sich die einzelnen Arbeits­schritte vor Augen zu führen. Gleich morgen geht’s los.

McCrea, S.M., Liberman, N., Trope, Y., and Sherman, S.J. (2008). Construal Level and Procrastination. Psychological Science,19(12), 1308-1314.

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