„Was wäre gewesen, wenn...?“ – Die Frage, die Sinn schafft

- Elena Postpischil –

Indem wir uns Alternativen zum Geschehenen überlegen, füllen wir unser Erlebtes mit Sinn.

„Was wäre gewesen, wenn…“ Wer hat sich diese Frage nicht schon einmal gestellt? Aber ein Sprichwort rät: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.“ Tatsächlich zeigt psychologische Forschung, dass das Nachdenken über Dinge, die sowieso nicht mehr zu ändern sind, un­zufrieden machen kann.

Doch solch „kontrafaktisches Denken“ -- das Nachdenken über Alternativen zum Geschehenen -- muss nicht unnütze Tagträumerei oder unglücklich machendes Grübeln sein, wie das Forschungs­team um Laura Kray zeigt. Die Wissenschaft­lerInnen fanden heraus, dass wir durch Nachdenken über das „was wäre wenn“ dem Erlebten mehr Bedeutung beimessen, was wiederum unserem Leben mehr Sinn verleiht.

Krays Team erforschte die Aus­wirkungen des „Denkens gegen die Fakten“ mit einer einfachen Studie. Die Teilnehmenden sollten in einem kurzen Aufsatz darstellen, wie sie eine wichtige Entscheidung getroffen hatten. Die eine Hälfte der Teilnehmenden wurde gebeten, mögliche andere Entscheidungen und deren Folgen zu beschreiben. Die andere Hälfte hingegen sollte Genaueres zu dem Ereignis schildern. Anschließend wurden alle Teilnehmenden aufgefordert, die Wichtigkeit des Ereignisses einzuschätzen. Das Ergebnis: Personen, die über Alternativszenarien nachgedacht hatten, beurteilten die Bedeutung der Entscheidung deutlich höher als diejenigen, die nicht zu „kontrafaktischem Denken“ angeregt wurden. 

In weiteren Studien zeigte das Forschungs­team, dass wir durch dieses „Denken gegen die Fakten“ stärker annehmen, dass die Dinge in unserem Leben so kamen, wie sie kommen mussten und sie auch gut so sind. Und dies trägt nicht nur dazu bei, dass wir unsere Lebens­geschichte als zusammenhängender wahrnehmen, sondern es reichert sie auch mit Sinn an.

Gewiss sollte man es mit der Frage nach „Was wäre gewesen, wenn…?“ nicht übertreiben. Besonders, wenn man seine aktuelle mit einer vorgestellten besseren Situation vergleicht, wird das wahrscheinlich eher Un­zufriedenheit mit sich bringen. Aber die Befunde des Forschungs­teams zeigen, dass diese Frage durchaus eine sinnstiftende Übung sein kann. Wenn es uns gerade ein wenig an Durchblick im Leben mangelt, kann es sinnvoll sein, eine „kontrafaktische Perspektive“ einzunehmen, um den Wert von Ereignissen und Beziehungen neu zu entdecken.

Kray, L. J., George, L. G., Liljenquist, K. A., Galinsky, A. D.; Tetlock, P. E., & Roese, N. J. (2010). From what might have been to what must have been: Co­unterfactual thinking creates meaning. Journal of Personality and Social Psychology, 98(1), 106–118.

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