Wer mich um Rat fragt, ist kompetent!

- Meliha Muratagic –

Ratsuchende werden von den nach Rat gefragten Personen als kompetent wahrgenommen, wenn sich der Rat auf eine schwierige Aufgabe bezieht und sich die nach Rat gefragten Personen mit der Aufgabe auskennen.

Letzte Woche begann Lisa ihren neuen Job in einer Werbeagentur. Ihre Aufgaben sind sehr spannend und teilweise auch sehr schwierig. Aus Angst, inkompetent zu wirken, versucht sie ihre Aufgaben jedoch immer eigenständig zu erledigen anstatt ihre KollegInnen um Rat zu fragen, obwohl sie dadurch Zeit sparen könnte. Aber ist Lisas Angst begründet? 

Bisherige Forschung hat gezeigt, dass die meisten Menschen ein positives Selbstbild haben und Schmeicheleien genießen. Um Rat gefragt zu werden kann die eigene Expertise und das positive Selbstbild bestätigen. Diese Bestätigung könnte wiederum dazu führen, dass die nach Rat gefragten Personen die Ratsuchenden als kompetent wahrnehmen („Schließlich waren die Ratsuchenden schlau genug, die richtige Person um Rat zu bitten“). 

Diese Annahme untersuchte ein Forschungs­team um Alison Brooks von der Harvard Business School in einer Reihe von Studien. Die Forschenden baten 114 Teilnehmende eines Experiments schwierige mathematische Aufgaben am Computer zu bearbeiten. Ihnen wurde zudem gesagt, dass sie mit einer anderen teilnehmenden Person ein Team bilden und ihr/e Team­partnerIn die Aufgaben danach auch bearbeiten würde. In Wirklichkeit war die andere Person jedoch computer­simuliert. Nach Bearbeitung der Aufgaben lasen die Teilnehmenden eine von drei möglichen Nachrichten. Ein Teil der Teilnehmenden las eine Chatnachricht von ihrem/r Team­partnerIn, in der sie entweder um Rat für die Bearbeitung der Aufgaben gefragt oder bloß begrüßt wurden. Die restlichen Teilnehmenden bekamen hingegen eine Mitteilung, dass ihr/e PartnerIn eine andere teilnehmende Person um Rat gefragt hat. Anschließend bewerteten alle Teilnehmenden die wahrgenommene Kompetenz ihres Partners/ihrer Partnerin und gaben ihr eigenes Selbstvertrauen an.

Die Ergebnisse zeigen, dass Teilnehmende, die nach einem Rat gefragt wurden, den/die Team­partnerIn als kompetenter einstuften als Teilnehmende, die nur begrüßt wurden oder die gesagt bekamen, dass ihr/e PartnerIn jemand anderen um Rat gefragt hat. Es gab allerdings keine Unterschiede in der Kompetenz­bewertung des Partners/der Partnerin, wenn eine Nachricht zur Begrüßung geschickt oder jemand anderes um Rat gefragt wurde. Zusätzliche Analysen ergaben, dass die Ergebnisse durch das gesteigerte Selbstvertrauen der nach Rat gefragten Teilnehmenden erklärt werden kann. Zudem konnte in weiteren Studien gezeigt werden, dass die wahrgenommene Kompetenz der Ratsuchenden nur dann steigt, wenn die Aufgaben schwierig sind und sich die nach Rat gefragte Person auf dem gefragten Gebiet auskennt. Im Falle von einfachen Aufgaben oder bei geringer Expertise der nach Rat gefragten Person steigt die wahrgenommene Kompetenz der Ratsuchenden hingegen nicht an. Studien­teilnehmende, die zu einem Thema nach Rat gefragt wurden, bei dem sie sich nicht auskannten, stuften ihre/n Team­partnerIn sogar als weniger kompetent ein als Teilnehmende, die von ihrem/r PartnerIn nicht nach Rat gefragt wurden.

Die Studien zeigen, dass Lisas Angst unbegründet ist, solange sie KollegInnen um Rat fragt, die sich auf dem gefragten Gebiet auskennen. Fragt sie außerdem nur bei schwierigen Aufgaben nach Rat, kann die Frage um Rat bei ihren KollegInnen die Wahrnehmung von Lisas Kompetenz sogar steigern. 

Brooks, A. W., Gino, F., & Schweitzer, M. (in press). Smart people ask for (my) advice: Seeking advice boosts perceptions of competence. Management Science.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Anna Bruk

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