Zeit ist Geld

- Alexandra Vogel –

 

Unsere Welt wird immer hektischer. Alles muss just in time passieren, das Uhrwerk darf nie zum Erliegen kommen, weil Zeit ja bekanntlich Geld ist. Doch was passiert mit den Dingen im Leben, die ihre Zeit brauchen ohne Geld einzubringen? Eine Tasse Tee, das Treffen mit Freunden, die neue Lieblings-CD: Wie sehr können wir diese Dinge noch genießen, obwohl sie keinen Profit einbringen?

Die beiden Forscher Sanford DeVoe und Julian House von der Universität Toronto haben sich mit der Frage beschäftigt, was mit dem Genuss von Freizeitaktivitäten passiert, wenn Zeit tatsächlich eins zu eins in Geld aufgewogen wird. Um diese „Umrechnung“ bei den Teilnehmenden einer Studie gezielt anzuregen, wurde die eine Hälfte gebeten, neben generellen Angaben zu Einkommen und Arbeits­zeit ihr stündliches Gehalt auszurechnen. Diese Personen sollten sich in besonderer Weise darüber bewusst werden, dass ihnen Zeit Geld einbringt und nicht untätig verbracht werden sollte. Die andere Hälfte musste diese Rechnung nicht machen und sollte sich daher auch über den Zusammenhang von Zeit und Geld nicht stärker bewusst sein als sonst. Nach diesem ersten Teil der Studie  durften alle Teilnehmenden 10 Minuten lang beliebig im Internet surfen. In dieser „Freizeit­phase“ sollte das Glücksgefühl der Probanden und Probandinnen gesteigert werden.  Außerdem wurden die Teilnehmenden zu Beginn der Studie und nach der Freizeit­phase gefragt, wie glücklich sie sich momentan fühlten. Auf diese Weise ließ sich die Veränderung der Glücksgefühle in den beiden Gruppen während der Freizeit­phase messen.

Tatsächlich berichteten diejenigen Teilnehmenden, die vorher Zeit in Geld umgerechnet hatten, einen geringeren Anstieg an glücklichen Gefühlen als die Personen, die ihr stündliches Gehalt nicht errechnet hatten. In einem zweiten Experiment zeigte sich dieser Unterschied auch dann, wenn in der Freizeit­phase Musik gehört wurde anstatt im Internet zu surfen. Hier ließ sich zudem erkennen, dass Personen, die sich über den Geldwert von Zeit besonders bewusst waren, in der Freizeit­phase verstärkt Ungeduld verspürten, was letztlich den geringeren Anstieg an Glücksgefühlen zur Folge hatte. Offenbar empfanden sie die eigentlich angenehme Tätigkeit als Verschwendung ihrer Zeit, welche ja eine potentielle Geldquelle darstellt. Wurde den Teilnehmenden aber ausdrücklich gesagt, dass sie für die Freizeit­phase ebenso entlohnt würden wie für die anderen Teile der Studie, sank die Ungeduld und die Musik hatte, wie man normalerweise erwarten würde, einen positiven Effekt auf das Glücksempfinden.

DeVoe und House konnten mit ihrer Untersuchung also zeigen, dass die allgemein bekannte Einstellung, Zeit sei Geld, negative Effekte auf menschliche Empfindungen haben kann. Es genügte hier schon, das eigene Gehalt auf eine stündliche Basis umzurechnen, um größere Ungeduld und weniger Glücksgefühl hervorzurufen. Dabei birgt Zeit ein sehr großes Potential für glückliche Erfahrungen und positive Gefühle. Um dieses ausschöpfen zu können, ist es jedoch nötig, die Zeit von ihrem Geldwert loszulösen. So können wir es beispielsweise eher genießen, mit einem guten Buch an einem sonnigen Tag im Freien zu sitzen.

DeVoe, S. E. & House, J. (in press). Time, money, and happiness: How does putting a price on time affect our ability to smell the roses? Journal of Experimental Social Psychology,
doi:10.1016/j.jesp.2011.11.012.

© Forschung erleben 2012, alle Rechte vorbehalten

Zurück