Zwar weiß ich viel, doch glaube ich, alles zu wissen

- Daniela Dudescu –

Je mehr Expertise eine Person glaubt auf einem bestimmten Gebiet zu haben, desto eher gibt sie an, Wissen über vermeintliche Begriffe aus diesem Gebiet zu besitzen, die in Wahrheit frei erfunden sind.

Markus ist der Meinung, dass er sich geografisch gut auskennt. Aus diesem Grund fragt ihn Anna, was er über eine bestimmte Stadt weiß. Allerdings weiß Markus nicht, dass Anna sich einen Scherz erlaubt und diese Stadt in Wirklichkeit gar nicht existiert, sondern von ihr erfunden wurde. Was glauben Sie, was ihr Markus antwortet? Wird er zugeben, dass er von der Stadt noch nie etwas gehört hat? Oder wird er sagen, dass er einiges über die Stadt weiß?

Befunde aus mehreren Studien deuten darauf hin, dass wir nicht immer in der Lage sind unser Wissen präzise einzuschätzen. Zum einen neigen Menschen oft dazu, ihr eigenes Wissen zu überschätzen. Zum anderen geben Menschen manchmal sogar an, über Dinge Bescheid zu wissen, die in Wirklichkeit nicht existieren. Doch warum sollte Markus behaupten, dass er die erfundene Stadt kennt? Bisherige Forschung geht davon aus, dass wir bei der Einschätzung unseres Wissens nicht nur darauf achten, was wir tatsächlich wissen, sondern auch auf das „Gefühl zu wissen“. Dieses Gefühl entsteht zumindest teilweise durch unsere Vorstellung davon, was wir wissen sollten. Markus kennt sich beispielsweise in Geografie gut aus, also geht er auch davon aus, dass er die Stadt, nach der Anna fragt, kennen sollte.

Im Hinblick auf diese Er­kenntnisse überprüfte das Forschungs­team um Stav Atir, ob mit steigendem „gefühlten“ Wissen auf einem bestimmten Gebiet eher angegeben wird, über erfundene Begriffe, die angeblich aus diesem Gebiet stammen, Bescheid zu wissen. Dazu wurden Teilnehmende einer Studie zunächst gebeten, ihr allgemeines Wissen hinsichtlich Finanzen einzuschätzen. Danach sollten sie für eine Reihe von finanz­iellen Begriffen angeben, wie viel sie ihrer Meinung nach über diese Begriffe wussten. Unter diesen Begriffen waren auch solche, die in Wirklichkeit nicht existierten, sondern von dem Forschungs­team erfunden wurden. Zum Schluss sollten die Teilnehmenden noch einen Test über Finanzen ausfüllen, um ihr tatsächliches finanz­ielles Wissen zu erfassen.

Würden die Teilnehmenden sich bei der Einschätzung der Begriffe nur auf ihr tatsächliches finanz­ielles Wissen verlassen, so dürften sie nicht angeben, Wissen über die erfundenen Begriffe zu haben. Tatsächlich gaben jedoch mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden an, zumindest ein wenig Wissen über mindestens einen der erfundenen Begriffe zu haben. Zudem zeigte sich wie erwartet: Je größer das eigene Finanz­wissen eingeschätzt wurde, desto mehr Wissen wurde über die erfundenen Begriffe angegeben – unabhängig vom tatsächlichen Finanz­wissen. Ferner fand das Forschungs­team in einer weiteren Studie heraus, dass Teilnehmende mit der Angabe, die erfundenen Begriffe zu kennen, sich nicht besser darstellen wollten – sie hatten scheinbar wirklich das Gefühl, etwas darüber zu wissen.

Je mehr Expertise also eine Person glaubt, auf einem bestimmten Gebiet zu haben, desto eher wird sie auch angeben, Wissen über Sachverhalte zu besitzen, die aus diesem Gebiet stammen könnten, aber tatsächlich frei erfunden sind. Es lässt sich also nicht ausschließen, dass Markus sagt, er würde die von Anna erfundene Stadt kennen. In diesem Beispiel hätte es keine weitreichenden Konsequenzen, wenn Markus sein Wissen überschätzt. Wenn man jedoch beispielsweise bei einer finanz­iellen Frage fälschlicherweise davon ausgeht, relevante Sachverhalte zu kennen, könnte diese Überschätzung zu finanz­iellen Verlusten führen. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn man sich wie Sokrates häufiger eingestehen würde zu wissen, dass man nichts weiß. 


Atir, S., Rosenzweig, E., & Dunning, D. (2015). When knowledge knows no bounds: Self-perceived expertise predicts claims of impossible knowledge. Psychological Science, 26(8), 1295-1303. doi:10.1177/0956797615588195

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Sebastian Butz

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