Die Zahl selbständiger Ausländer ist in den letzten beiden Jahrzehnten prozentual in etwa dreimal so stark angestiegen wie die bei den Deutschen. Mittlerweile besitzt jede sechste unternehmerisch engagierte Person in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dies entspricht einer drei Viertel Million. Doch über die sozialen Charakteristika selbständiger Migranten und die wirtschaftliche Bedeutung ihrer Unternehmen ist noch relativ wenig bekannt. In der öffentlichen Wahrnehmung werden sie nicht selten mit Döner- und Gemüseläden sowie mit Notgründungen und subsistenzwirtschaftlichen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Die empirischen Befunde des ifm weisen jedoch darauf hin, dass der Anteil der im Gastgewerbe und Handel tätigen Migrantenunternehmen seit Jahren sinkt, hingegen die Bedeutung wissensintensiver Dienstleistungen wächst und die „ethnische Ökonomie“ zwischenzeitlich in etwa 2 Mio. Arbeitsplätze und eine wachsende Zahl an Ausbildungsplätzen stellt. Ein gewichtiger Teil der ifm-Forschung hat sich daher vor allem mit den Charakteristika und Leistungspotenzialen von Migrantenunternehmen und bspw. den Kunden- und Beschäftigungsstrukturen befasst und hierbei auch den Umfang der Ausbildungsbereitschaft sowie die Bestimmungsgründe der Fachkräfteentwicklung untersucht.
Ein zusätzliches Augenmerk verdient der Zusammenhang zwischen Selbständigkeit und sozialer Integration und damit die Frage, welche Bedeutung eine Unternehmensgründung für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Bezug auf die Möglichkeit einer verbesserten gesellschaftlichen Positionierung und wirtschaftlichen Teilhabe hat. Verschiedene ifm-Studien belegen, dass der Weg in die berufliche Selbständigkeit – nicht überall, aber überwiegend – die Chance eines sozialen Aufstiegs und damit die Integrationsmöglichkeiten verbessert. Wichtige Indikatoren hierfür sind die Integration am Arbeitsmarkt, höhere Einkommenschancen und die adäquate Nutzung von Qualifikationen.
Von wissenschaftlichem Interesse sind jedoch genauso die Ursachen und sozialen Bedingungen des Gründungsbooms. Zumindest in der Wirtschafts- und Sozialforschung auf internationaler Ebene hat die Suche nach den Triebkräften und Charakteristika von ethnischem Unternehmertum ihren festen Platz. Die Wurzeln des Forschungsgebiets reichen bis auf Max Weber und seine Arbeiten über die Rolle religiöser Minderheiten zurück. Hierdurch rückte die Frage in den Vordergrund, in welcher Weise wirtschaftliches Handeln nicht nur durch individuelle Fähigkeiten sondern auch durch gruppenspezifische soziokulturelle Eigenheiten beeinflusst wird. So wird teils angenommen, dass unternehmerisch ambitionierte Migranten den Mangel an Bildungskapital durch ethnisches und soziales Kapital kompensieren. Forschungsergebnisse des ifm zeigen jedoch, dass die Nutzung von individuellen bzw. von Klassenressourcen und die Mobilisierung ethnischer Gruppenressourcen keinen Gegensatz bilden, sondern der Erfolg migrantischen Unternehmertums in der Kombination von Beidem liegt.
Die Migrantenökonomie in Deutschland erfährt derzeit neue Impulse. Durch den rückläufigen Anteil Selbständiger aus den ehemaligen Anwerbeländern und durch den Zustrom neuer und besser gebildeter Zuwanderergruppen, vor allem aus Mittel- und Osteuropa und dem Nahen und Mittleren Osten, verändern sich nicht nur die Charakteristika sondern auch die Entwicklungsbedingungen von Migrantenselbständigkeit. Dies induziert nicht nur neue Forschungsfragen, sondern auch die Pflicht, den Forschungsstand beständig zu überprüfen.
Grundlegende Voraussetzung für profunde Analysen in diesem Bereich sind repräsentative und aussagekräftige Daten, die eine Differenzierung nach beruflichen Stellungen, sozialen und wirtschaftlichen Merkmalen sowie nach der ethnischer Herkunft bzw. dem Migrationshintergrund der Akteure erlauben. Hier hat das ifm durch jahrelange empirische Forschungsarbeit einen profunden Datenbestand aufgebaut, der sich aus amtlichen und Wissenschaftsdaten sowie vor allem einer Vielzahl an eigenen Erhebungen zusammensetzt und hierbei sowohl deskriptive als auch multivariate Datenanalysen erlaubt.