Gebürtig komme ich aus Iran. Meine Familie und ich sind nach Dubai gezogen, als ich fünf Jahre alt war. Bis zur siebten Klasse bin ich dort auf eine englische Schule gegangen und lernte auch Arabisch. Danach kehrten wir wieder in meine Heimat zurück und schauten uns verschiedene Schulen an. Gemeinsam mit meinen Eltern habe ich mich dann für eine internationale Schule entschieden. Am meisten zugesagt hat uns eine deutsche Schule, in der die ersten beiden Jahre der Unterricht aber noch auf Englisch geführt wurde. Ab der neunten Klasse wechselten wir zu Deutsch und erst dann lernte ich auch die Sprache. Im ersten Halbjahr der zehnten Klasse erreichte ich das Sprachniveau C1 – das war wie ein Geschenk für mich. Ich beendete dort die Schule und machte mein Abitur.
Als ich mein Abitur erhielt, wusste ich, dass ich gern weiterlernen und studieren möchte. Also recherchierte ich und nahm mir ein Jahr Zeit. Ich konnte an keine iranische Universität und musste daher ins Ausland. Mit meinem deutschen Abschluss hat sich Deutschland angeboten. Ich konnte dadurch auch leichter ein Visum bekommen. Außerdem habe ich Familie in Deutschland, was meine Entscheidung nochmal bekräftigte.
Ich interessiere mich schon mein ganzes Leben lang für Mathe und Informatik. Es war daher naheliegend, auch nach einem Studium in diesem Bereich zu suchen und dann bin ich auf Wirtschaftsinformatik gestoßen. Ich wollte nicht ausschließlich Informatik studieren und dachte mir, dass die Kombination mit Wirtschaft hilfreich sein kann. Also informierte ich mich, welche Universitäten diesen Studiengang anbieten. Mannheim hat für mich sehr gut gepasst, da wir hier in der Region viele Bekannte und Familie haben. Als ich dann sah, dass die Uni Mannheim sehr bekannt ist und nur positive Bewertungen las, dachte ich mir: Das klingt super!
Am besten finde ich, dass ich so viele Kontakte hier habe und auch immer wieder neue hinzukommen. Ich kam am Ende der Corona-Zeit nach Mannheim, weshalb meine ersten beiden Semester noch teilweise online stattfanden. Kontakte zu haben war für mich das Wichtigste, besonders weil es mir nicht so leichtfiel, auf Leute zuzugehen. Jetzt treffe ich immer viele Leute, egal wohin ich gehe. Grund dafür ist auch, dass ich Teil der Initiative VISUM bin und dadurch viel aufgeschlossener wurde. Allgemein liebe ich es, anderen zu helfen! Ob mit dem Studium, privat oder in der Initiative, es macht mir total viel Spaß und auch auf diese Weise kann ich immer wieder neue Kontakte knüpfen. Ich glaube, der Grund ist auch, dass ich meine persönliche Entwicklung sehe und das Gefühl habe, dass ich nie allein bin.
An meinem Studium gefallen mir besonders die Inhalte und die Professor*innen, da die Interaktion mir viel Spaß bereitet. Jede Lehrperson ist unterschiedlich und jedes Semester freue ich mich darauf, neue Module kennenzulernen. Ich denke, dass es leichter ist, in Dingen gut zu sein, an denen man auch wirklich interessiert ist. Außerdem bin ich stolz auf meine fachliche Entwicklung. Das Gefühl, am Ende vom Semester alles verstanden zu haben, obwohl die Modulbeschreibung zuerst ziemlich kompliziert klang, ist einfach großartig. Das zeigt mir, dass ich alles schaffen kann, wenn ich genug Zeit investiere.
Der größte Unterschied ist, dass hier nicht so viel passiert. Ich habe meine Routine, die jeden Tag gleich ist und ich muss mir keine Sorgen machen, dass morgen auf einmal alles anders ist. Ich gehe zur Uni, ins Fitnessstudio und treffe meine Freunde. Für mich ist das ein guter Ausgleich. Denn wenn ich zurück in meine Heimat komme, habe ich vom ersten Tag an Action. Teile meiner Familie sind Schauspielerinnen und Schauspieler und in Iran sehr bekannt. Wenn ich dort bin, bin auch ich auf einmal berühmt und werde zum Beispiel nach Bildern gefragt.
Eine richtige Herausforderung war für mich hier eigentlich nur der Anfang. Als ich ankam und erstmal eine Wohnung finden musste und natürlich auch noch nicht wusste, wie die Dinge hier in Deutschland laufen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich eingelebt hatte. Doch ich hatte Glück, dass ich hier Familie habe und sie mich unterstützen konnte. Wie schon gesagt, war ich zudem nicht so aufgeschlossen. Wenn ich nur zu Hause bin, lerne ich auch niemanden kennen. Ich habe bemerkt, dass ich selbst etwas dafür tun muss, um Menschen kennenzulernen.
Seit dem dritten Semester bin ich Tutor für verschiedene Kurse in Informatik und BWL, was meine finanzielle Hauptquelle ist und was ich wirklich toll finde. Ich mag es, in der Uni-Umgebung zu sein und anderen mit den Dingen zu helfen, die ich selbst gut kann. Das habe ich schon gemerkt, als ich noch zur Schule ging und anderen Schülerinnen und Schülern mit Mathe geholfen habe. Außerdem bewarb ich mich für das Deutschlandstipendium, nachdem mir alle dazu geraten hatten, und war total überrascht, als ich die Zusage erhielt. Es war ein schönes Gefühl, besonders weil ich nicht wirklich damit gerechnet hatte. Abgesehen von dem finanziellen Aspekt gibt mir das Stipendium auch mehr Motivation und das Gefühl, dass ich den richtigen Weg gehe.
Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Ich mag es nicht, Dinge so langfristig zu planen. Am Ende ist alles anders und die Pläne waren umsonst. Ich habe mir aber überlegt, hier auf jeden Fall auch den Master zu machen, da ich einfach sehr viel Spaß hier habe. Wohin ich danach gehe, möchte ich erst entscheiden, wenn es so weit ist.
Interview: Pascale Tamburini /Februar 2024