Eine Studentin mit Brille blickt freundlich in die Kamera. Text: Schlaue neue Welt? KI und Digitalisierung an der Uni Mannheim.

Ein Wiedersehen mit … Philipp Bremer

Schauspieler und Diplomat: Die Berufswünsche von Alumnus Philipp Bremer könnten auf den ersten Blick nicht gegensätzlicher sein. Heute ist er keines von beidem und hat doch mit seinem Job als Leiter des Rechts­staats­programm Naher Osten und Nordafrika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) einen Weg gefunden, Teile aus beiden Berufen zu vereinen.

Philipp Bremer sitzt am Schreibtisch in seinem Büro in Beirut, der Hauptstadt des Libanons. Er trägt ein weißes Hemd und ein Head-Set. Papier und Bücher stapeln sich an seinem Arbeits­platz. Hinter ihm an die weiß-gestrichene Wand ist eine Weltkarte gepinnt. Auf dieser sind die Regionen mit Farbe markiert, in denen die KAS Rechts­staats­programme durchführt. Rechts­staat-was? Vereinfacht gesagt, unterstützt Bremer bei seiner Arbeit Vertreter*innen des Gesetzes im Nahen Osten und Nordafrika dabei, dass sie Verfassung und Gesetze, die Unabhängigkeit der Justiz und Menschenrechte achten. Dabei ist die KAS ein beratendes Element, das mit lokalen Partner*innen zusammenarbeitet, Projekte organisiert und vorschlägt und bei Fragen oder Problemen unterstützt. So richtete Bremer beispielsweise zusammen mit der Bundes­rechts­anwaltskammer (BRAK) eine Diskussionsrunde für Präsident*innen der regionalen Rechts­anwaltskammern aus, bei denen sie über die Probleme der Anwaltschaft diskutierten. Oder einen Workshop, in denen Richter*innen über die geringe Anwendung und Wirkung von Gesetzen in ihrem Land berieten. „Es ist schon spannend, in meinem Alter in Bagdad mit einer Person, deren Job vergleichbar ist mit dem des Präsidenten des deutschen Verfassungs­gerichts, ein Gespräch über juristische Urteile oder die politische Landschaft im Irak zu führen und ernst genommen zu werden“, sagt Bremer. Es verwundert beim näheren Betrachten seiner Biografie jedoch nicht, dass er solche Termine meistert.

Zunächst hatte der 33-Jährige aber ganz andere Berufspläne: Sein Jurastudium begann er 2008 mit dem Hintergedanken, erst etwas Seriöses zu machen, bevor er nach England zum Schauspielstudium geht. Schon in der 9. Klasse hatte er die Hauptrolle im Musical „My Fair Lady“ und spielte Klavier, sang und komponierte selbst Musik. Aber nun zuerst Jura. Er bewarb sich in Heidelberg, als Backup reichte er seine Unterlagen auch in Mannheim ein. Und siehe da: Heidelberg klappte nicht. „Rückblickend bin ich froh, dass ich in Mannheim gelandet bin. Dadurch, dass wir nicht mit Hunderten anderer Jura-Studierenden im Hörsaal saßen, war meiner Meinung nach die Betreuung viel besser und intensiver“, bekräftigt der Alumnus. „Ursprünglich wollte ich wechseln, aber ich habe die Mannheimer Zeit geliebt und war sehr happy. Ich wäre niemals da, wo ich heute bin, wenn mich die Uni nicht so top vorbereitet hätte.“ Das interdisziplinäre Angebot, die Internationalität und das Studium bei und später arbeiten als Hilfskraft für Medizinrechtler Jochen Taupitz: Bei den Aufzählungen merkt man dem Juristen an, wie sehr er die Studien­zeit genossen hat. Nebenher engagierte er sich bei den Model United Nations, war Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie des Bronnbacher Stipendiums des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, als Basketballleiter beim Uni-Sport und studentisches Mitglied im Mannheimer Senat und AStA. Der Schauspielerei blieb Bremer treu: Er spielte in der anglistischen Theater­gruppe (ATG) häufig die Hauptrolle und leitete die Gruppe sogar eine Zeitlang selbst. Auch im heutigen Theaterhaus G7 war er in mehreren Spielzeiten vertreten. Und nach dem Studium verband den Alumnus der Workshop „Was ich von der Bühne für den Gerichtssaal lernte“, den er für Jura­studierende anbot, lange Zeit mit seiner Alma Mater. Noch heute engagiert er sich im Vorstand des Alumni-Vereins des Bronnbacher Stipendiums.

Hauptberuflich wurde Bremer nach seinem Studium jedoch Anwalt. Den Berufswunsch Schauspieler hatte er für einen anderen früheren Traum an den Nagel gehängt: Diplomat werden. Eine Bewerbung in Brüssel, direkt nach dem Studium, wurde aufgrund von Formalia abgelehnt, daher fing er zunächst in der renommierten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP an. Er beschäftigte sich dort unter anderem mit der juristischen Seite der Krisenkommunikation und arbeitete für Volkswagen im Zuge des Abgasskandals. Mitten in der Pandemie kündigte er diesen Job. „Die Stelle hat mir dreieinhalb Jahre unglaublich viel Freude bereitet und ohne die Erfahrungen hätte ich meinen aktuellen Job auch nicht bekommen. Aber es war Zeit, dem näher zu kommen, was ich wirklich machen möchte“, sagt Bremer. Nach der Kündigung war die KAS seine erste Wahl. Hört man ihn aufzählen, warum ihm der Job in Beirut gefällt, weiß man, in diesem jetzigen Aufgabenfeld vereinen sich sämtliche Stärken und Leidenschaften des 33-Jährigen: „Öffentliches Auftreten, reden, schreiben, auf Leute zugehen, verhandeln, reisen und unterschiedliche Kulturen kennenlernen. Und dann auch ein bisschen Recht, Rechts­politik und vor allem eben Politik. Das liegt mir total.“

Seit 2021 wohnt er nun in Beirut. Besuchen ihn Freund*innen oder betreut er Praktikant*innen von der KAS, spricht er zuerst die Versorgungs­lage an. Im Sommer kühlt es nachts nicht ab, es sind noch 30 Grad und dann fällt der Strom aus: „Das ist ein Problem, auch, weil wir für privat betriebene Generatoren deutlich mehr bezahlen müssen, da wir vom Staat aktuell nur maximal vier Stunden Strom pro Tag bekommen“, erzählt Bremer. Arbeiten am Laptop, zoomen, Handy laden, waschen, kochen, den Kühlschrank laufen lassen und das alles mit Klimaanlage: Das geht nicht gleichzeitig, er muss vielfach aus- und umstöpseln, zumal auch die Stromstärke nicht erlaubt, viele Geräte gleichzeitig zu nutzen. Nicht erst durch die Explosion des Getreidesilos im Herbst 2020 im Beiruter Hafen hat das Land wirtschaft­liche Probleme, die Wirtschafts- und Finanz­krise begann Ende 2019, Währungs­verfall und Korruption gab es also vorher schon. Der Libanon durchlebt aktuell eine der größten Wirtschafts­krisen der Moderne. Wer kann, verlässt das Land. Das alles weiß und sieht Bremer, er sagt aber auch: „Das Essen hier ist großartig, die Warmherzigkeit der Menschen und die Willkommenskultur sind toll, überall wird man eingeladen. Man kann Ski fahren, schwimmen im Meer – das Land ist wunderschön. Wer mich besucht, ist begeistert.“ Man glaubt ihm, wie wohl er sich in der Stadt und diesem Kulturkreis fühlt. Wären Freunde und Familie da, die wirtschaft­liche und politische Lage ein bisschen entspannter, bliebe er vermutlich für immer.

Der Job hält Bremer auf Trab und ungefähr einmal im Monat ist er beruflich in Nordafrika oder dem Nahen Osten unterwegs. Zum Schauspielern hat er aktuell keine Zeit, dafür entschädigen ihn das Reden schreiben, Präsentieren bei Workshops oder im Panel sitzen bei Expert*innenrunden. Und eins steht fest: „Die Uni könnte mich jederzeit wieder für meinen Gerichtsworkshop requirieren. Der hat mir immer riesigen Spaß gemacht.“

Anm. d. Red.: Das Gespräch mit Bremer fand vor der Eskalation im Nahen Osten im Herbst 2023 statt.

Text: Luisa Gebhardt/Dezember 2023