Eine blaue Tasse, auf der mehrere Zahlencodes stehen.

KI, die uns alle betrifft

Ein Interview mit Prof. Dr. Marc Lerchenmüller, Inhaber der Juniorprofessur für Technologische Innovation und Management, und Dr. Leo Schmallenbach, Habilitand am Lehr­stuhl für Organisation und Innovation, die gemeinsam zum Einfluss von KI auf Innovation forschen.

FORUM: Was sind die wichtigsten Errungenschaften durch KI, die heute schon angewendet werden?

Lerchenmüller: KI-Einsatzgebiete in Organisationen sind zum Beispiel das Automatisieren von Geschäftsprozessen, die Vorhersage von Markt­entwicklungen oder personalisierte Kunden­ansprachen. Einige der aufsehenerregendsten Beiträge von KI finden sich aktuell in der medizinischen Forschung und Entwicklung. Forscherteams, wie das von Google DeepMind, haben beispielsweise mithilfe von KI die Proteinfaltung – der Prozess, durch den Proteine eine 3-D-Struktur annehmen – weitestgehend entschlüsselt, obwohl dies als nahezu unlösbar galt. KI kann allgemein durch computer­gestützte Simulationen absehbar Zeit und Kosten in der Medikamente-Entwicklung und anderen Innovations­bereichen der Wirtschaft sparen.

FORUM: Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Schmallenbach: KI ist eine Schlüssel­technologie mit großem Potenzial. Damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, ist ein offener Zugang zur Technologie zentral, der hauptsächlich von zwei Faktoren abhängt: (1) Technischer Infrastruktur und (2) Verfügbarkeit des notwendigen Humankapitals. Für technische Infrastruktur spielen Faktoren wie Rechenkapazität, Energiebedarf und der Zugriff auf große Datenmengen für das Verbessern von KI-Systemen eine entscheidende Rolle. Auf der anderen Seite erfordert die Entwicklung von Humankapital eine zukunfts­orientierte Bildung, die bereits in jungen Jahren ein Verständnis für KI vermittelt. Beide Voraussetzungen benötigen Zeit und sind mit erheblichen Kosten verbunden. Aktuell haben nur wenige Regionen und Organisationen die Voraussetzungen, um die die Entwicklung von KI mitzugestalten. Beispielsweise ist der globale Süden, der von KI in der medizinischen Diagnose und Versorgung oder Landwirtschaft insbesondere profitieren würde, bisher von der Entwicklung abgehängt. Eine zentrale Herausforderung im Umgang mit KI liegt also darin, den Zugang und die Mitgestaltung der Technologie zu demokratisieren.

FORUM: Wie sieht die Zukunft der Arbeits­welt mit KI aus? 

Lerchenmüller: Experten erwarten eine Verschiebung der Schwerpunkte in der Arbeits­welt. Es wird weiterhin viele Berufsfelder geben, die menschliche Intelligenz erfordern. Aktuelle Studien zeigen beispielsweise, dass KI im Bereich des Bewertens von Alternativen dem menschlichen Verstand unterlegen ist. In anderen Bereichen, wie beispielsweise der Generierung einer großen Anzahl von Lösungs­optionen, ist KI hingegen überlegen. In der Zukunft wird es wahrscheinlich eher darum gehen, die Zusammenarbeit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz optimal zu gestalten. Der Wissenschaft kommt hier eine zentrale Bedeutung zu. Die Zeitschrift „The Economist“ hat kürzlich die Bedeutung von KI für die Forschung mit der Entdeckung des Teleskops für Astronomen verglichen, da KI der Forschung helfen wird, Zusammenhänge in einem Meer von Daten schneller aufzudecken. Diese Fähigkeit sollte dem Fortschritt der Wirtschaft und unseren Gesellschaften zugutekommen.

Text: Katja Bauer, Jule Leger/Dezember 2023