Wie ausgeprägt ist das Wissen über Finanzthemen in der Bevölkerung und wie beeinflusst dies ihre Spar- und Konsumentscheidungen? Wie kann finanzielle Bildung die Entwicklung von finanziellen Kenntnissen und Fähigkeiten im Zusammenhang mit Finanzentscheidungen unterstützen? Diese und ähnlich komplexe Fragen wurden auf der Inauguralkonferenz des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE), einer gemeinsamen Initiative des ZEW Mannheim und der Universität Mannheim, diskutiert. Die Konferenz fand am 29. und 30. November 2021 online statt, gefolgt von einem Early Career Workshop für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am 1. und 2. Dezember 2021.
Financial Literacy hat in den letzten Jahren für jeden Bürger stark an Bedeutung gewonnen und ist eine wichtige Voraussetzung für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wohlergehen. Finanzielle Entscheidungen stellen für viele Personen eine große Herausforderung dar. Langfristige Trends wie demografischer Wandel und Digitalisierung haben weitreichende Auswirkungen auf die Altersvorsorge, das Sparverhalten, die Zinssätze und die Finanzierungsbedingungen. Unvorhergesehene Ereignisse wie die aktuelle Corona-Pandemie erhöhen den Druck.
Um die interdisziplinäre Forschung auf dem Gebiet Financial Literacy und Finanzbildung zu stärken, haben Prof. Dr. Carmela Aprea von der Universität Mannheim und Prof. Dr. Tabea Bucher-Koenen vom ZEW Mannheim im Mai 2020 das Mannheim Institute for Financial Education (MIFE) gegründet. Auf der MIFE-Inauguralkonferenz im November 2021 tauschten hochkarätige Keynote-Speaker und renommierte Forscherinnen und Forscher Erkenntnisse darüber aus, wie finanzielle Bildung das Finanzwissen und die finanzielle Entscheidungsfähigkeit der Bevölkerung positiv beeinflussen kann. Mehr als 100 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis nahmen online an der Inauguralkonferenz teil. Höhepunkte der Veranstaltung waren die Vorträge von Annamaria Lusardi, Professorin für Wirtschaft und Rechnungswesen an der George Washington University School of Business in den USA, David Leiser, Professor für Psychologie an der Ben Gurion University of the Negev in Israel, sowie Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank.
Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Carmela Aprea und Prof. Dr. Tabea Bucher-Koenen überbrachten Gäste aus Politik und Wissenschaft ihre Glückwünsche zur Gründung des MIFE. Die Gratulantinnen und Gratulanten zeigten sich begeistert über das neue Institut und betonten dessen Relevanz für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen, wie die Gestaltung der finanziellen Bildung für die nächste Generation oder die Förderung eines selbstbestimmten Lebens in einer Welt mit immer komplexeren Finanzentscheidungen. Die Gratulanten/
Die Gründerin des Global Financial Literacy Excellence Center (GFLEC) und maßgebliche Wegbereiterin des Forschungsfelds Financial Literacy, Prof. Annamaria Lusardi, hielt die erste Keynote. In ihrem Vortrag argumentierte sie, dass finanzielles Wohlergehen mit der Fähigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher zusammenhängt, mit ihren eigenen Finanzen umzugehen. Im Allgemeinen ist das Wissen über Finanzen, z. B. hinsichtlich Investitionsmöglichkeiten, Versicherungen und Risiken, in der Bevölkerung gering. Erschwerend kommt hinzu, dass das Finanzwissen zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ungleich verteilt ist: Besonders gering ist es bei Menschen mit wenig Bildung, Frauen und Personen mit niedrigem Einkommen. Das geringe Finanzwissen spiegelt sich auch in dem Vertrauen wider, das die Menschen in ihre eigene finanzielle Situation haben. Finanziell gebildete Menschen sind seltener finanziell gefährdet oder verschuldet. Eine Verbesserung der Financial Literacy könnte daher das Wohlbefinden und Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in ihre finanzielle Situation steigern, so die Schlussfolgerung.
In seinem Keynote-Vortrag stellte Prof. David Leiser, Mitgründer des Center for Pension, Insurance and Economic Psychology, vor, wie man Menschen helfen kann, ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Dabei präsentierte er Erkenntnisse aus seiner Forschung zum israelischen Rentensystem. Seine drei Haupthypothesen lauten:
Anhand von Beispielen aus seiner Forschung zeigt er auf, dass es großes Verbesserungspotenzial gibt. Um den Menschen wirksam zu helfen, ist es jedoch unerlässlich zu verstehen, was ihre eigentlichen Bedürfnisse sind und worauf es ihnen besonders ankommt.
Im Anschluss an die Keynote-Vorträge diskutierten Annamaria Lusardi, David Leiser, Emanuela Rinaldi, Dozentin für Soziologie an der University of Milano-Bicocca in Italien, und Lukas Menkhoff, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter der Abteilung Weltwirtschaft am DIW Berlin, über künftige Forschungsrichtungen im Bereich Financial Literacy. Sie gaben wertvolle Einblicke in spannende Forschungsfragen und wegweisende Forschungsfelder. Die Zusammenarbeit mit Fachleuten aus anderen Bereichen birgt ein großes Potenzial, um den Bereich der Financial Literacy voranzubringen. Gleichzeitig kann die Veröffentlichung interdisziplinärer Forschung aber auch eine Herausforderung darstellen.
Am zweiten Konferenztag wurden vorwiegend politische Maßnahmen zu Financial Literacy diskutiert. Der Tag begann mit einem Impulsvortrag von Chiara Monticone, PhD, Senior Policy Analyst bei der OECD in Paris. Sie fasste Schlüsselaspekte aus den Erfahrungen der OECD/
Eine Gruppe deutscher Experten/
Im abschließenden Keynote-Vortrag, an die sich eine Diskussion mit ZEW-Präsident Achim Wambach anschloss, sprach Prof. Dr. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, über die Bedeutung von Finanzmarktstabilität. Buch betonte, dass Finanzwissen ein wichtiges Element für die Stabilität der Finanzmärkte sei. Darüber hinaus ist das Vertrauen der Bevölkerung in Finanzinstitutionen entscheidend. Daher legt die Bundesbank bei ihren Aktivitäten zum Beispiel großen Wert auf Transparenz.
Der mit 5.000 Euro dotierte Nachwuchsforschungspreis der Deutschen Bundesbank für Financial Literacy wurde an Sarah Reiter vom ifo Institut und Awais Malik von der TU Dresden verliehen. Sie wurden unter den Teilnehmenden des MIFE Early Career Workshops ausgewählt. Sarah Reiter und ihre Co-Autoren/-innen untersuchen in ihrer Arbeit anhand von Daten aus zehn osteuropäischen Ländern, welche Rolle Finanzwissen für das Geben und Nehmen von Bürgschaften spielt, und arbeiten das Wissen über die Folgen einer Bürgschaftsübernahme als neues Financial-Literacy-konzept heraus. Awais Malik und seine Mitautoren/
Im Anschluss an die Inauguralkonferenz wurden auf dem zweitägigen MIFE Early Career Workshop 12 Forschungsarbeiten zu Financial Literacy und Finanzbildung vorgestellt und diskutiert. Die Autorinnen und Autoren kamen aus verschiedenen Bereichen, darunter Wirtschaftswissenschaften, Haushaltsfinanzen, Wirtschaftspädagogik, Psychologie und verwandten Disziplinen.