MIFE-Konferenz zum Thema „Financial Literacy in Times of Crisis“

Zweite MIFE-Jahreskonferenz beleuchtet Financial Literacy in Krisenzeiten

In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen konzentrierte sich die zweite MIFE-Jahreskonferenz auf die finanz­ielle Bildung in der aktuellen Krise. Die Konferenz des Mannheim Institute for Financial Education (MIFE), einer gemeinsamen Initiative der Universität Mannheim und des ZEW Mannheim, fand am 16. November 2022 statt und wurde von einem zweitägigen Workshop für junge Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler begleitet. Mehr als 90 internationale Teilnehmende diskutierten aktuelle wissenschaft­liche Beiträge zu Finanz­wissen, finanz­ieller Bildung und Implikationen für Politik und Praxis, insbesondere im Kontext der aktuellen Krise. Fünf hochkarätige Hauptrednerinnen und Hauptredner waren eingeladen, ihre Er­kenntnisse zu diesem Thema zu teilen.

Die erste Keynote wurde von Gerrit Antonides, Professor für Verbraucher- und Haushalts­ökonomie an der Universität Wageningen in den Niederlanden, gehalten. In seinem Vortrag erörterte er die Rolle mentaler Budgetierung für Finanz­management, Konsum­verhalten und Besteuerung. Anhand der Ergebnisse seiner Umfrage­studien zeigte er auf, dass mentales Budgetieren das Finanz­management verbessern, die Verbraucher/innen zum Sparen anregen und zu einer höheren Steuerehrlichkeit führen kann.

In ihrer Keynote mit dem Titel „Now More than Ever: Why Financial Literacy Is a Key Element of Post-COVID-19 Recovery“ argumentierte Professorin Elsa Fornero vom Center for Research on Pensions and Welfare Policies (CeRP) der Universität Turin, dass finanz­ielle Allgemeinbildung ein wichtiger Faktor für gesellschaft­liches Engagement und ein Schlüsselelement für starke Demokratien ist. Finanz­ielles Wissen kann durch Bildungs­investitionen gestärkt werden und sollte in jeder Phase des Lebens­zyklus gefördert werden, angefangen bei der Jugend. Darüber hinaus trägt finanz­ielle Bildung zur wirtschaft­lichen Unabhängigkeit von Frauen bei, was ihrer Ansicht nach einen hohen gesellschaft­lichen Wert hat. Angesichts des wachsenden Problems von Fake News oder schlechten Informations­quellen empfiehlt Fornero eine klare Kommunikation seitens Finanz­institutionen.

In seiner Keynote präsentierte Professor Martin Brown (Studien­zentrum Gerzensee und Universität St. Gallen, Schweiz) Forschungs­ergebnisse zur Digitalisierung von Zahlungs­prozessen und deren Einfluss auf das Ausgabe­verhalten der Konsumenten/-innen. Anhand einer Analyse von Daten der Schweizerischen Nationalbank in Kombination mit Umfragedaten zeigte er, dass bargeldlose Bezahl­verfahren bei gegenwarts­orientierten Konsumenten/-innen zu höheren Ausgaben führen.

Burkhard Balz, Vorstands­mitglied der Deutschen Bundes­bank und zuständig für ökonomische Bildung, unterstrich in seiner Keynote die Bedeutung von Finanz­wissen für Preisstabilität und wirtschaft­lichen Wohlstand. Solides Finanz­wissen ist eine Schlüssel­qualifikation sowohl für die Haushalte, um trotz zunehmender Unsicherheit gut durch die Krise zu kommen, als auch für die Zentralbank, um ihr Preisstabilitätsziel zu erreichen. In seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden Strategien erörtert, wie Finanz­wissen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden kann und welche Rolle Forschende, Praktiker/-innen, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen bei der Umsetzung spielen.

Um den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren zu fördern und die Forschung zur finanz­iellen Bildung voranzutreiben, vergibt die Deutsche Bundes­bank den mit 5.000 Euro dotierten Bundes­bank-Nachwuchsforschungs­preis für Financial Literacy 2022. Das wissenschaft­liche Komitee wählte unter allen Beiträgen des MIFE Early Career Workshops die beiden herausragenden Beiträge von Dongni Duan, Doktorandin an der University of Glasgow, und Andrea Hofer, Post-Doktorandin an der Schweizerischen Nationalbank und der Universität Zürich, aus. In ihrem Beitrag „Growing up with Finance: Special Economic Zoning and Household Finances in China“ wollen Duan und ihr Ko-Autor herausfinden, ob die frühe Erfahrung mit den Reformen der Sonderwirtschafts­zonen einen Einfluss auf die Beteiligung an formellen Finanz­märkten sowie am Aktien­markt und anderen Vermögensmärkten nach der Reform hat. In ihrem Beitrag „A Purse of Her Own: Married Women’s Access to Financial Services and Female Labor Supply“ untersucht Hofer die Aus­wirkungen der finanz­iellen Teilhabe von Frauen in den USA. Ihr Ziel ist es zu beleuchten, inwiefern sich die Antidiskriminierungs­gesetzgebung (Equal Credit Opportunity Act, ECOA) in den 1970er Jahren bei verheirateten US-Amerikanerinnen auf den Besitz eines Bankkontos oder einer Kreditkarte bzw. die Aufnahme eines Kredits auswirkte und wie dies ihre Arbeits­markt­entscheidungen beeinflusste. Beide Preisträgerinnen präsentierten innovative und interessante Forschungs­fragen, die für die Finanz­stabilität relevant sind.

Im Anschluss an die MIFE-Jahreskonferenz fand der zweitägige MIFE Early Career Workshop für junge Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler statt, bei dem Nachwuchsforschende aus der ganzen Welt insgesamt dreizehn Arbeiten zum Thema Finanz­kompetenz und Finanz­bildung vorstellten und diskutierten. Die Vortragenden kamen aus verschiedenen Bereichen, dar­unter Wirtschafts­wissenschaften, Household Finance, Wirtschafts­pädagogik, Psychologie und verwandten Disziplinen. Zusätzlich zu den herausragenden Vorträgen und interessanten Diskussionen hielt Professor David Leiser vom Center for Pension, Insurance and Economic Psychology der Ben-Gurion-Universität of the Negev in Israel eine Keynote über die Art und Weise, wie Menschen wirtschaft­liche Phänomene (falsch) verstehen, und die kognitiven Ursachen für dieses (falsche) Verständnis. Außerdem wies er auf die Bedeutung dieses (falschen) Verständnisses für Praxis, Politik und Forschung hin.