UNICON – Ernährungsungleichheiten im Kontext: Temporäre und anhaltende Prozesse
Ein guter Gesundheitszustand und der Abbau von Ungleichheiten sind zwei der wichtigsten Ziele der WHO für nachhaltige Entwicklung. Soziale Unterschiede in der Gesundheit werden zumindest zu einem erheblichen Teil durch soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten verursacht: Untersuchungen legen nahe, dass bis zu 36 % der sozialen Unterschiede bei der kardiovaskulären Morbidität auf soziale Unterschiede im Ernährungsverhalten zurückzuführen sind. Menschen aus sozial schwächeren Schichten zeigen häufig ein schlechteres Gesundheitsverhalten und haben dementsprechend ein höheres Risiko für solche Krankheiten.
Der Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit ist jedoch vielschichtiger: Menschen, die in benachteiligten Vierteln leben, haben sowohl mehr Fast-Food-Restaurants als auch mehr Verkaufsstellen für frisches Obst und Gemüse in der Nähe ihres Wohnorts. Jugendliche mit Migrationshintergrund geben einen höheren Obstkonsum an als die Mehrheitsbevölkerung. Diese manchmal kontraintuitiven Ergebnisse machen deutlich, dass ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheitsverhalten erforderlich ist.
Die derzeitigen Theorien und Modelle des Gesundheitsverhaltens und folglich auch die auf diesen Theorien und Modellen basierenden Interventionen schweigen jedoch weitgehend über die Ansatzpunkte und Mechanismen sozialer Ungleichheiten. Sie können diese Unterschiede nicht zufriedenstellend erklären, geschweige denn eine Anleitung für wirksame Interventionen zur Verringerung sozialer Unterschiede im Gesundheitsverhalten geben.
Die in diesem Projekt geplanten Forschungsarbeiten werden
- die Auswirkungen mehrerer Dimensionen sozialer Ungleichheit und ihrer Wechselwirkungen auf das Ernährungsverhalten systematisch untersuchen,
- die unterschiedlichen Auswirkungen theorie- und evidenzbasierter sozial-kognitiver Determinanten des Ernährungsverhaltens je nach Dimensionen sozialer Ungleichheit untersuchen und
- beschreiben, wie sich soziale Ungleichheit auf die momentanen Determinanten des Ernährungsverhaltens auswirkt.
Dazu sind drei empirische Arbeitspakete (WPs) vorgesehen.
- WP1 wird koordinierte Analysen (Meta-Analyse auf individueller Ebene) bestehender harmonisierter groß angelegter Ernährungserhebungen nutzen, um systematisch Unterschiede entlang mehrerer Indikatoren sozialer Ungleichheit im Ernährungsverhalten und seinen sozial-kognitiven Determinanten zu beschreiben.
- WP2 wird zwei Ecological Momentary Assessment Studien in sozial geschichteten Stichproben verwenden, um zu untersuchen, wie soziale Ungleichheit die momentanen Kontexte (physisch, sozial) des Ernährungsverhaltens beeinflusst,
- und WP3 wird eine gezielte Umfrage in einem Online-Zugangspanel verwenden, um jene sozial-kognitiven und kontextuellen Determinanten zu untersuchen, die in der Literatur und in WP2 als relevant identifiziert wurden, aber in den bestehenden Umfragen in WP1 nicht bewertet werden konnten.
Zusammen werden diese Arbeitspakete einen ersten systematischen Überblick darüber geben, wie sich soziale Ungleichheit in sozialen Unterschieden im Ernährungsverhalten niederschlägt, und Anhaltspunkte für die Gestaltung von Verhaltensinterventionen liefern, die soziale Ungleichheiten im Ernährungsverhalten wirksam verringern können.
Das Forschungsprojekt ist am Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie / dem Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) angesiedelt und läuft in Kooperation mit der Universität Bremen (Prof. Dr. Benjamin Schüz). 2024 wurde dafür eine Fördersumme von 630.000€ als Sachbeihilfe von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Verfügung gestellt. Die Projektlaufzeit beträgt 36 Monate. Der Beginn ist für 2024 geplant. Ansprechperson für Rückfragen ist Frau Prof. Dr. Jutta Mata.