„Man lernt zu verstehen, wie Ökonomen denken!“

Nach der Weinlese in der Landwirtschaft seiner Eltern hat Giosuè Comunale (22) im Herbst 2014 seine Koffer gepackt und seine Heimat in Sizilien gegen die Quadratestadt Mannheim getauscht. Zwei Jahre lang hat er mit der deutschen Sprache gekämpft – und es schließlich geschafft: Mittlerweile spricht Giosuè fließend Deutsch und studiert im vierten Semester Volkswirtschafts­lehre im Mannheimer Barockschloss. In der April-Ausgabe der myUniMA story erzählt er von seinem Studium, Geburtstagsfeiern und Dampfnudeln.

Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt an der Uni Mannheim studierst?

Zur Zeit meiner mündlichen Abitur­prüfung habe ich gemeinsam mit meinen Eltern überlegt, wie es für mich weitergehen soll. Da der Arbeits­markt in Italien für junge Leute sehr hart ist, hat mir mein Vater ein Studium im Ausland empfohlen. Zuerst wollte ich wie meine Schwester zum Studieren nach Argentinien, aber dann könnte ich meine Familie nur selten sehen und deshalb habe ich mich für Deutschland entschieden. Ich habe Verwandte in Deutschland, die mir unter anderem die Uni Mannheim empfohlen haben – und ehrlich gesagt war die Mannheimer Internetseite auch die einzige, die ich verstanden habe (lacht). Ich habe dann aber recherchiert und gesehen, dass die Uni Mannheim sehr gute Rankings für VWL und BWL hat. Der Weg bis zum Studium war sehr anstrengend, ich konnte kein Deutsch und habe deswegen erst einmal in einem italienischen Restaurant in der Neckarstadt gekellnert und mich durch die Deutschkurse an der Uni gekämpft. Ich hatte anfangs auch keine Wohnung und habe in Pensionen und sogar kurzzeitig in einem Keller geschlafen. Aber ich habe nicht aufgegeben. Der Tag, an dem ich endlich meine DSH-Prüfung bestanden habe und mich für die Uni bewerben konnte, war einer der Schönsten. Die Monate vor dem Studien­beginn wollte ich noch nutzen, um meine Deutsch­kenntnisse zu festigen und deshalb habe ich ein halbes Jahr als Au-pair in einer deutschen Familie in Rheinland-Pfalz gearbeitet. Das war auch eine sehr gute Erfahrung, mit der Familie habe ich heute noch Kontakt!

Wie gefällt dir dein VWL-Studium an der Uni Mannheim?

Ehrlich gesagt, ist dieses Semester ein bisschen schwierig für mich. Im Studium lernen wir viele abstrakte Modelle und arbeiten wenig mit konkreten Daten, das habe ich mir am Anfang nicht so theoretisch vorgestellt. Eigentlich wollte ich zuerst BWL studieren, doch dafür hat mein Englisch leider nicht ausgereicht. Aber inzwischen gefällt mir VWL auch viel besser und ich mag, was ich studiere – man lernt zu verstehen, wie Ökonomen denken!

Hast du Tipps für andere internationale Studierende, die an die Uni Mannheim kommen wollen?

Ich empfehle auf jeden Fall, die Zeit zu genießen, vor allem jetzt im Frühling und Sommer ist es richtig schön hier. Ich glaube, als touristische Stadt kann Mannheim nicht so viel anbieten, aber als Stadt, die du erleben kannst, ist es perfekt – ich liebe Mannheim! Man muss jede Kleinigkeit kennen lernen, die diese Stadt besitzt und sich integrieren. Man verpasst sonst sehr viel, wenn man nur in seiner Gruppe von internationalen Studierenden bleibt und nichts mit den Menschen erlebt, die hier aufgewachsen sind. Besonders als Vollzeitstudent sollte man sich auch bemühen, die Sprache so gut wie möglich zu lernen und viel mit Deutschen zusammen sein. Und mein Tipp: Alles essen! Vor allem wir italienischen Studierenden sollten nicht nur bei unserem bekannten italienischen Essen bleiben, sondern auch deutsche Speisen probieren. Ich liebe zum Beispiel deutsches Schnitzel. Und das erste Gericht, das ich gegessen und nie mehr vergessen habe, ist Kartoffelsuppe mit Dampfnudel. Das Essen hier finde ich allgemein sehr lecker, ich habe zu meiner Zeit als Au-pair fast zehn Kilo zugenommen!  

Du lebst schon seit über drei Jahren in Mannheim und sagst, du hast hier schon einiges erlebt. Woran erinnerst du dich besonders gern?

Die Prüfungen im zweiten Semester waren sehr anstrengend und nach der letzten Klausur waren meine Kommiliton*innen und ich so erleichtert, dass wir den ganzen Tag zusammen verbracht und bis spät in die Nacht gemeinsam gefeiert haben. Und mein zweiter Geburtstag in Mannheim ist auch eine sehr schöne Erinnerung. An meinem ersten Geburtstag hier kannte ich noch niemanden, das war sehr traurig. Aber ein Jahr später habe ich schon so viele Leute kennen gelernt und meinen Geburtstag mit über 30 Leuten in einem großen Veranstaltungs­raum feiern können. Das war ein toller Tag und ich hatte sehr viel Spaß.

Wie gestaltest du deine Freizeit in Mannheim?

Ich gehe natürlich gerne feiern, in meinem Wohnheim bin ich jetzt der Wohnheimsprecher und organisiere dort zum Beispiel Partys. Oft spaziere ich auch oder mache lange Fahrradfahrten – von Neckarau am Rhein entlang, zum Schloss und von dort weiter zum Neckar bis zur SAP-Arena. Aber besonders mag ich an Mannheim, dass es hier für jeden Typ und jede Szene etwas Passendes gibt: Wenn du gern Punk hörst, gibt es hier viele Möglichkeiten oder wenn du Techno magst, kannst du beispielsweise an den Hafen 49 gehen. Ein bisschen vermisse ich Clubs, in denen Live-Musik gespielt wird. Davon gibt es in Italien deutlich mehr. Aber ansonsten kann man hier in Mannheim wirklich alles machen, was man will – es fehlt einfach nichts.

Weißt du schon, wie es nach deinem Bachelor­studium weitergeht?

Das ist eine komplizierte Frage. Ich würde sehr gern einen Master machen, aber ich möchte auch finanz­iell unabhängiger von meinen Eltern werden. Deswegen denke ich zum Beispiel auch über ein duales Studium nach. Ein großer Wunsch wäre es, in Mannheim zu bleiben. Mir hat allerdings auch die Pfalz sehr gut gefallen und ich könnte mir ebenfalls vorstellen, dort zu wohnen. Eine Freundin hat mich letztens gefragt, ob ich wieder nach Italien zurück möchte, um dort zu leben und zu arbeiten – ich habe ‚Nein‘ gesagt. In den letzten drei Jahren in Mannheim habe ich so viel erlebt, da bleibe ich jetzt auf jeden Fall hier!

Text: Kyra Hoffmann / April 2018