Meinen Bachelor habe ich an der “German University in Cairo“ absolviert, wo die Struktur ähnlich ist wie an deutschen Universitäten. Die Studierenden dort sind sehr motiviert, Deutsch zu lernen, und die Universität bietet viele Möglichkeiten für Sprachkurse oder Workshops in Deutschland. Deshalb habe ich schon vor meinem Master öfter in Deutschland. Ich habe sogar meine Bachelorarbeit in Stuttgart in Kooperation mit dem Unternehmen „hp“ geschrieben. Weil es nur wenige Wirtschaftsinformatik-Studiengänge in Ägypten gibt und weil ich schon das Land und ein wenig die deutsche Sprache kannte, habe ich mich dazu entschlossen, meine Ausbildung in Deutschland fortzusetzen. Mannheim war dabei meine erste Wahl, weil es eine der besten Universitäten für wirtschaftliche Studiengänge in Deutschland ist.
Es gibt viele Unterschiede, vor allem bei den Lernmethoden und beim Studentenleben. In Ägypten haben die Studierenden einen festen Stundenplan, es herrscht Anwesenheitsplicht und es gibt fast jede Woche Projektarbeiten und kleinere Test. In Deutschland ist das Studium während des Semesters entspannter, aber dann am Ende anstrengender. Das Studium in Deutschland macht unabhängig und verantwortungsbewusst, da man für alles selbst verantwortlich ist. Studierende in Ägypten wohnen häufig noch bei ihren Eltern und müssen sich deshalb nicht um Dinge wie Einkaufen, Kochen oder Bürokratie kümmern. In Deutschland ist es außerdem möglich zu studieren und gleichzeitig einem Hobby nachzugehen oder regelmäßig Freund*innen zu treffen. Kairo ist eine sehr große Stadt mit extrem viel Verkehr. Es dauert immer sehr lange, bis man ans Ziel kommt. Darum konzentrieren sich Studierende oft auf ihr Studium und haben keine Zeit für Freizeitaktivitäten und regelmäßige Treffen mit Freund*innen.
Mir gefällt sehr gut, dass die Universität Mannheim so gut ausgestattet ist und versucht, eine entspannte Lernumgebung zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel die verschiedenen Bibliotheken, das Learning Center, die Mensa und das Sportprogramm. Ich mag es auch, am Rhein spazieren oder joggen zu gehen. Am meisten vermisse ich meine Familie, meine Freund*innen und bei größeren Feiern wie Hochzeiten oder Familientreffen dabei sein zu können. Während des Ramadan musste ich fast jeden Abend ganz alleine essen. Das hat mich sehr traurig gemacht, weil zuhause immer Familie oder Freund*innen dabei sind. Außerdem vermisse ich die schönen Strände und das gute Wetter.
Neben dem Studium arbeite ich 20 Stunden pro Woche als Werkstudentin bei SAP. Ich musste mich mehrmals bewerben, bis ich eine positive Antwort bekommen habe, und ich bin sehr froh, dass es geklappt hat. Es wäre eine große Chance, wenn ich nach meinem Abschluss in Deutschland bleiben und für SAP oder eine andere Firma arbeiten oder sogar meine Doktorarbeit hier schreiben könnte. Ich habe mir noch nicht allzu viele Gedanken über meine Zukunft gemacht. Auch wenn ich weiß, dass ich wegen meiner Familie nicht für immer in Deutschland leben möchte, wären noch ein paar Jahre hier toll.
Text: Louisa Gille / August 2016