„Für Politik­wissenschaft und BWL ist die Uni Mannheim einfach top. Deshalb bin ich jetzt hier.“

Sebastián Echeverría Botero kommt aus Baranquilla, einer großen Stadt im Norden Kolumbiens, die direkt am Strand liegt und vor allem für ihren Karneval bekannt ist. Der 21-Jährige lebt mittlerweile seit 2013 in Mannheim und studiert im sechsten Semester Politik­wissenschaft und Betriebs­wirtschafts­lehre. In seiner my UniMa story erzählt Sebastián von seinem Leben auf vier Kontinenten und seinem Engagement bei der Studierenden­initiative Enactus.

Warum hast du dich gegen ein Studium in Kolumbien entschieden?

Ich habe vom Kindergarten bis zur 12. Klasse eine deutsche Schule besucht, dadurch war Deutschland und die deutsche Kultur immer ein Teil meines Lebens. Mein Bruder studierte in Hamburg und ich konnte mir auch gut vorstellen, ins Ausland zu gehen. Eigentlich wollte ich in den USA studieren und habe dort nach meinem Abitur, das ich schon mit 16 Jahren hatte, für ein Jahr die High School besucht. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich nach und nach mein Deutsch verlernte. Hinzu kommt, dass die Studien­kosten in den USA sehr hoch sind. Deshalb habe ich beschlossen, in Deutschland zu studieren. Ich habe mir verschiedene Unis angeschaut. Für Politik­wissenschaft und BWL war die Uni Mannheim einfach top. Deshalb bin ich jetzt hier.

Wie hast du von Kolumbien aus eine Wohnung in Mannheim gefunden?

Das ist eine witzige Geschichte. Um mein Deutsch wieder aufzufrischen, hatte ich mich für einen Wirtschafts­kurs am Studien­kolleg in Marburg eingeschrieben. Da ich mich an mehreren deutschen Unis beworben hatte, hatte ich den Überblick verloren und in Mannheim fängt das Semester ja viel früher an. Drei Wochen vor Semesterbeginn hatte ich dann noch keine Wohnung und fuhr jeden Tag mit dem Zug von Marburg nach Mannheim auf der Suche nach einem Zimmer. Ich hatte dann Glück, der Heimleiter in Marburg kannte die Leiterin des Wohnheims in Mannheim.

Hattest du Bedenken, bevor du für das Studium nach Deutschland gekommen bist?

Nein, nicht wirklich. Ich würde sagen, dass ich sehr weltoffen bin. Ich mache mir keine Sorgen, wenn sich mein Umfeld ändert. In den letzten fünf Jahren habe ich auf vier Kontinenten gelebt, unter anderem auch dreieinhalb Monate in Tansania während eines Praktikums. Mit der deutschen Kultur hatte ich ja schon früh Kontakt, aber das Leben in Tansania war wirklich komplett neu für mich. Das Leben dort ist nicht so einfach. Ich habe in einem Dorf gelebt, das nicht mal auf Google Maps zu finden ist. Für mich ist sowas aber einfach eine tolle Erfahrung, ich bin sehr flexibel. Ich habe dort einen BWL-Kurs an einem College gegeben. Die Bildungs­unterschiede wurden schnell deutlich. Zurück in Deutschland wurde mir dann erneut klar, wie wichtig Bildung ist. Ohne meine gute Ausbildung an der deutschen Schule könnte ich nicht in Mannheim studieren.

Warum engagierst du dich bei der Studierenden­initiative Enactus Mannheim?

Ich habe mich schon immer leidenschaft­lich für Themen wie Nachhaltigkeit und Entwicklung interessiert, deshalb wollte ich auch Politik und Wirtschaft studieren. Das Praktikum in Tansania hat mein Interesse weiter geweckt. Später möchte ich sehr gerne im Bereich Social Entrepreneurship arbeiten. Bei Enactus kann ich erste Erfahrungen sammeln. Seit dem dritten Semester bin ich Mitglied, mittlerweile bin ich Vorstandsvorsitzender. Das ist toll. Momentan haben wir zwölf Projekte auf vier Kontinenten. Dar­unter ist auch das Projekt SANAGUA in Südamerika, an dem ich selbst als Mitglied aktiv beteiligt war. Nachdem wir schon Filtrations­anlagen für Trinkwasser in Argentinien aufgebaut hatten, war ich letztes Jahr mit in Chile, um eine weitere Anlage aufzubauen. Bei den Projekten muss man immer viel vor Ort entscheiden, egal wie intensiv man in Deutschland vorher geplant hat. Aber ich mag die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Es geht darum, einen Wissenstransfer zu ermöglichen, dass sich die Menschen vor Ort nach einiger Zeit selbstständig helfen können und sich ihre Situation nachhaltig verbessert.

Welche kulturellen Unterschiede gibt es zwischen Kolumbien und Deutschland?

Das ist sehr schwer für mich zu sagen, weil ich schon seit Kindheitstagen mit der deutschen Kultur aufgewachsen bin. Es war also wirklich nicht schwer, sich hier einzuleben. Einige Freund*innen sagen, ich wäre deutscher als sie. Ich bin sehr pünktlich und strukturiert. Woran ich mich aber nach meiner Zeit in Kolumbien und den USA erst gewöhnen musste, war immer Bargeld dabei zu haben. Ohne Bargeld kommt man nämlich nicht sehr weit in Deutschland. Dass Sonntag wirklich ein Ruhetag ist, war auch ungewohnt für mich. Überall wo ich vorher gelebt habe, konnte man auch am Sonntag einkaufen gehen.

Was möchtest du nach deinem Studium in Mannheim machen?

Langfristig möchte ich vielleicht schon nach Kolumbien zurück. Erst mal möchte ich aber meinen Master machen. Allerdings nicht in Deutschland, ich mag es wie gesagt, meine Umgebung zu verändern. Nach vier Jahren in Mannheim, möchte ich gerne wieder etwas Neues kennenlernen. Ich kann mir vorstellen, den Master in Asien zu machen – vielleicht Singapur. Letztendlich gehe ich aber dorthin, wo ich das Richtige für mich finde, der Ort selbst ist dabei für mich nicht entscheidend.

Text: Sina Buschhold / März 2017