Es war einfach ein Bauchgefühl. Ich hatte die Wahl zwischen Mannheim und München, aber als ich im Internet recherchiert habe, war mir klar, dass Mannheim die bessere Stadt für Studenten ist. Dadurch, dass ich in Kairo aufgewachsen bin, bin ich große Städte gewöhnt. Mannheim ist kleiner und deshalb ist es einfacher, Leute kennenzulernen. Mein Traum war es, in einer richtigen Studentenstadt zu leben. Als ich hierhergekommen bin, gab es viele Initiativen und ich habe direkt bei einigen mitgemacht. Es sind jeden Tag Events oder auch Partys, an denen man teilnehmen kann.
Wenn ich noch einmal die Chance hätte, mir ein Studienfach auszusuchen, würde ich noch einmal Wirtschaftsmathematik wählen. Mein Studiengang ist definitiv eine Herausforderung: Im ersten Semester war das Studium sehr schwer für mich und ich habe lange überlegt zu wechseln. Ich bin jetzt allerdings sehr froh, es durchgezogen zu haben. Es hat sich gelohnt. Was Mannheim als Studienort betrifft, kann ich sagen: Ich liebe Mannheim und es ist bisher eine tolle Zeit gewesen. Ich brauche allerdings ständig Abwechslung. Deshalb freue ich mich, nach dem Studium auch neue Erfahrungen an anderen Orten zu sammeln.
Ein großer Unterschied zu Mannheim sind die weiten Distanzen in Kairo. Bis zur Uni braucht man schnell ein bis zwei Stunden, weswegen man meist den ganzen Tag dort verbringt. Hier in Mannheim ist man in fünf bis zehn Minuten zuhause und generell etwas flexibler. Außerdem ist es in Kairo etwas gefährlich für Frauen, in der Stadt nachts alleine zu Fuß unterwegs zu sein. In Mannheim fühle ich mich sicher, hier kann ich auch nachts nach dem Feiern nach Hause laufen.
Wenn ich in Deutschland bin, vermisse ich natürlich vor allem meine Familie. Auch das Arabisch-Sprechen, weil ich mich in meiner Muttersprache immer noch besser ausdrücken kann. Andersherum fühlt sich Mannheim aber auch wie ein Zuhause an. Wenn ich in Ägypten bin, freue ich mich immer wieder auf Mannheim, weil ich dort eine eigene Wohnung habe, in der ich mein eigener Chef bin. Egal, ob ich in Deutschland oder in Ägypten bin – mir fehlt immer das jeweils andere ein bisschen.
Ich bin Mitglied bei der Studierendeninitiative VISUM, die jede Woche mehrere Events für Austauschstudierende veranstaltet. Ich bin fast immer dabei und es macht mir großen Spaß, weil man sehr viele neue Leute kennenlernt. Als internationale Vollzeitstudentin, die nicht nur ein Auslandssemester hier macht, habe ich dort eine besondere Position. Vor einem Monat habe ich außerdem angefangen, Ukulele zu spielen, weil ich gerne singe und etwas Neues lernen wollte, was mir Spaß macht. Ich bin gerne aktiv und gehe regelmäßig zu Zumba-Kursen. Seit Kurzem traue ich mich auch in der Stadt Fahrrad zu fahren, was auf der Straße in Kairo eher ungewöhnlich ist.
Am Anfang hatte ich etwas Probleme mit der Pünktlichkeit, aber mittlerweile bin ich schon etwas „deutscher“ geworden. Wenn ich mit meinen Freunden essen gehe, wird die Rechnung immer getrennt bezahlt und immer korrekt auf den Cent ausgerechnet. Das ist schon sehr deutsch.
Ich habe alles schon geplant. In der Hinsicht bin ich auch schon etwas deutsch geworden. Ich würde gerne ein „Gap Year“ nach dem Bachelor machen, um Praktika im Bereich Risikomanagement oder in einem Financial Department zu machen und um nach Südamerika zu reisen. Anschließend würde ich gerne noch den Master in Deutschland machen und ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln, bevor ich dann wieder nach Ägypten zurückgehe.
Text: Helena Sicko / Oktober 2018