Kein Modemanager wie jeder andere

Er hat aus einem kleinen schwäbischen Anzughersteller einen der größten internationalen Modekonzerne geformt: Fast dreizehn Jahre war der Mannheimer BWL-Absolvent Dr. Bruno Sälzer im Vorstand von Hugo Boss, sechs davon als Vorsitzender. Danach bewahrte er das Damen-Luxuslabel Escada vor der Insolvenz. Einem, der zu den größten Mode- Managern Europas zählt, muss der Erfolg zu Kopf gestiegen sein – sollte man meinen. Doch Fehlanzeige.

Es ist 11 Uhr morgens im Café eines Münchner Nobelhotels. Dem 61-jährigen Bruno Sälzer sieht man sein Alter nicht an – genauso wenig wie die Tatsache, dass er bis vor wenigen Stunden noch auf der Weihnachtsfeier von Lacoste unterwegs war. Neben Deichmann und Amer Sports ist Lacoste eines der großen Mode­unternehmen, in denen er im Aufsichtsrat sitzt. Eine französische Marke, die auf einen Deutschen setzt – das ist ungewöhnlich, zeigt jedoch, wie angesehen Bruno Sälzer als Modemanager in Europa ist.

Hugo Boss hat Bruno Sälzer großgemacht – und umgekehrt. Von 1995 bis 2008 hat er aus dem konservativen schwäbischen Anzughersteller eine Weltmarke geformt. Die erfolgreichen Mode-Linien Boss Orange und Boss Woman hat der Konzern ihm zu verdanken – genauso wie sein Image. „Mir war immer klar, wir müssen jung und crazy werden und die Medien auf uns ziehen“, erzählt Sälzer. Hugo Boss war eine der ersten Firmen, die mit medialer Wucht Partys auf der ganzen Welt veranstaltete, um ihre Mode vorzustellen. Sie waren die ersten mit Fashionshows im Moskauer Kreml und vor der Chinesischen Mauer. Zu Gast: Hollywood-Stars, Top-Models, internationale Prominenz und die angesagtesten DJs. „Das hat der Marke irre viel gebracht und zu hohen Wachstumsraten geführt“, sagt Sälzer, in dessen Zeit Hugo Boss Milliarden erwirtschaft­ete und seinen Aktienkurs verfünffachte.

Kunden­gespräche morgens um fünf in Tokio, Paris oder Los Angeles – für Bruno Sälzer ist das selbstverständlich. Manchmal reist er um die halbe Welt, nur um sich einen einzigen Store anzuschauen. „Viele Menschen halten das für verrückt, aber anders entwickelt man kein Gespür für den Zeitgeist – und den braucht man, um in der Modewelt ernst genommen zu werden.“ Hinter dem Menschen, dessen Herz seit jeher für die Schönheitsindustrie schlägt, steckt auch ein Mann der Zahlen. „Ohne sauberes betriebs­wirtschaft­liches Handwerkszeug können Sie kein Unternehmen führen. Wenn man so lange wie ich an der Uni Mannheim war, hat man das aber im Griff.“ Von 1976 bis 1981 machte Sälzer sein BWL-Diplom. Danach promovierte er ebenfalls in Mannheim am ersten Logistiklehr­stuhl Deutschlands. Im Studentenwohnheim in N6, 8 und auch in seinem Heimatdorf bei Bad Rappenau, wo er auf einem Bauernhof aufwuchs, sei er jedoch ein b­unter Vogel gewesen. „Zum Erschrecken meiner Eltern habe ich Düfte gesammelt und jeden Trend mitgemacht – ob Schlaghosen oder Vokuhila“, sagt er und lacht. „Als ich dann nach Mannheim kam, war das für mich die große weite Welt.“

Erst nach seiner Promotion mit 28 Jahren saß er das erste Mal im Flieger – das Ticket spendierte ihm Beiersdorf für die Reise zum Vorstellungs­gespräch nach Hamburg. Sälzer hatte viele Jobangebote, vor allem von großen Unternehmens­beratungen. „Doch Beiersdorf mit seinen großen Marken wie Nivea reizte mich natürlich. Und dass ich zum ersten Mal fliegen durfte“, erinnert sich Sälzer. Nach fünf Jahren bei Beiersdorf wurde er von Schwarzkopf abgeworben, wo er innerhalb kürzester Zeit zum Geschäftsführer des internationalen Friseurgeschäfts aufstieg – verantwortlich für mehrere hundert Mitarbeiter in über 70 Ländern. In seinem Job war Sälzer so erfolgreich, dass Hugo Boss auf ihn aufmerksam wurde. Nach 13 Jahren wechselte er dann zu Escada – und in einen seiner härtesten Kämpfe.

Als Bruno Sälzer kam, tobte gerade die Finanz­krise, Escada stand vor der Insolvenz. Kein guter Zeitpunkt, um Erfolge zu feiern. „Ich habe zwei Mal die Woche Townhall-Meetings vor den 400 Mitarbeitern gehalten, mich an die Treppe gestellt und erzählt, wie es gerade um uns steht“, erinnert sich der Modemanager. „Mode ist ein People-Geschäft. Das sind alles sehr emotionale Menschen. Die merken sofort, ob Sie selbst noch ans Unternehmen glauben oder nicht.“ Sälzer glaubte daran: weg vom konservativen Goldknopf-Image hin zum Entertainment- Faktor – was bei Boss funktionierte, konnte für Escada nicht schlecht sein. Außerdem holte er Megha Mittal, eine der reichsten Frauen der Welt, als Investorin mit ins Boot – Rettung geglückt.

Ganz nah bei den Menschen zu sein, vor allem wenn es mal schlecht läuft – das ist wohl eines von Sälzers Erfolgsrezepten. Aber auch die komplette Identifikation mit der Marke: Während er um die Jahrtausendwende ausschließlich in Hugo Boss gekleidet war, sah man ihn zuletzt als CEO der britischen Modemarke Bench fast nur noch im Kapuzenpulli. Zum Interview in München trägt er Hemd und Hose von Arc‘teryx, eine der Marken von Amer Sports, dessen Aufsichtsratsvorsitzender er seit zwei Jahren ist. Für Sälzer gehört das zum guten Ton – genauso wie Disziplin. Neben seinem ausgefüllten Terminkalender verbringt er viel Zeit mit seinen vier Söhnen. Und egal, wie hart ein Arbeits­tag war, Laufen oder Fitnessstudio stehen fast täglich auf dem Plan. Sportverrückt sei er schon immer gewesen: Während seiner Zeit an der Uni Mannheim machte er den schwarzen Gürtel in Karate, war neun Jahre lang Trainer am Institut für Sport und gewann mehrfach die Deutschen Karate-Hochschul­meisterschaften. Und natürlich war er auch auf jeder Schneckenhof-Fete dabei.

Text: Nadine Diehl / April 2019