An den harschen Umgangston bei solchen Verhandlungen musste sich der Neuankömmling erst einmal gewöhnen und daran, nun für ein über 300 Jahre altes Traditionsunternehmen mitverantwortlich zu sein. 1870 erworben, verkaufte der kinderlose Alois Dallmayr sein Lebensmittelgeschäft in der Dienerstraße bald an die Familie Randlkofer – neben Familie Wille die andere große Gesellschafterfamilie hinter Dallmayr. In den 1930er Jahren verpflichteten die Randlkofers den jungen Kaffeekaufmann Konrad Werner Wille aus Bremen, um den Kaffeezweig voranzubringen. Er hatte bei Kaffee HAG gelernt, dem führenden Kaffeeröster Deutschlands zu jener Zeit. Konrad Werner Wille ist der Großvater von Denglers Ehefrau und machte Dallmayr zum Marktführer in Bayern. Nach seinem Tod 1977 übernahm sein Sohn Wolfgang die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter des Familienunternehmens. Unter seiner Führung ging Dallmayr in den 1980er Jahren ein Joint Venture mit dem Multi Nestlé ein, um das Kaffeegeschäft auf eine neue Wachstumskurve zu hieven.
Nur ein paar Meter von Denglers Büro entfernt untersuchen zwei Damen in weißen Kitteln Plastiktütchen mit rohen Kaffeebohnen. Sie ziehen eines von hunderten Kästchen aus dem Wandregal und vergleichen die Farbe. Zu diesem Zeitpunkt sind die Bohnen noch hell und ungeröstet. „Uns erreichen täglich Proben von Kaffeebauern aus der ganzen Welt. Der Farbtest ist der erste von vielen, der darüber entscheidet, ob ein Kaffee von unserem Einkauf akzeptiert wird. Wir haben sehr strenge Qualitätskriterien“, erklärt Dengler und hält ein Tütchen in den Händen, auf dem mit Edding „Abgelehnt“ steht. Der kleine Raum ist wichtiger als er aussieht. Schließlich werden hier Entscheidungen getroffen, die für mehr als 80.000 Tonnen Kaffee pro Jahr gelten. Immer wenn er kann, testet auch Johannes Dengler.
Dengler ist detailverliebt. Er stellt eine kleine schwarz-blaue Schachtel mit der Aufschrift „Capsa“ auf den Tisch – der Kapselmarke von Dallmayr. Er öffnet und schließt sie wieder, dabei klickt der Karton leise. „Hören Sie das?“, fragt er. „Daran haben wir lange herumgebastelt. Das Geräusch erzeugt irgendwie ein tolles Gefühl.“ 2014 brachte Dallmayr seine Kapseln auf den Markt – ohne den Vertrieb seines damaligen Gesellschafters und Vertriebspartners Nestlé. Der wollte keine Konkurrenz zu den eigenen Nespresso-Kapseln vertreiben. „Irgendwie auch verständlich“, meint Dengler. „Wir mussten also innerhalb weniger Monate einen eigenen Außendienst für den Kapselvertrieb aufbauen. Dieser Schritt war riskant, der Launch verlief jedoch sensationell.“ 2015 konnte Dallmayr von Nestlé dann die verbleibenden Anteile am Dallmayr Kaffeegeschäft zurück erwerben und ist seither zu 100 Prozent in Familienhand.
Der Generationenunterschied ist dem Unternehmen anzumerken. Dallmayr ist weggekommen von seinem leicht angestaubten Image. Denglers Schwiegervater, der schon seit 60 Jahren im Unternehmen ist, hat den Weg dorthin begleitet. „2000 verkauften wir mehr oder weniger dieselben Produkte wie 1980. Die Kaffeewelt ist seitdem täglich bunter und vielfältiger geworden. Heute gibt es Dallmayr Kaffee für ganz unterschiedliche Geschmäcker und Zubereitungsformen – egal, ob für zuhause oder unterwegs. Der Facettenreichtum explodiert“, sagt Dengler. Die 500g-Vakuumpackung Dallmayr prodomo sei aber immer noch der Bestseller und seit vergangenem Jahr sogar die meistverkaufte Kaffeemarke in Deutschland. Auch wenn hierzulande das Hauptgeschäft liegt, expandiert das Unternehmen in die ganze Welt – neuerdings auch nach China. Dallmayr erzielt gut 20 Prozent seines Absatzes im Ausland.
Im Münchner Stammhaus trinkt Dengler eigentlich am liebsten den Kaffee aus der Personalkantine. „Da gehe ich mehrmals täglich mit meinem Kaffeehaferl hin“, sagt er und lacht. „Ich brauche meinen Kaffee nicht zelebriert im Handaufguss oder linksrum geschäumt, obwohl das sehr hübsch aussehen kann.“ Ob ihre Kinder mal ins Unternehmen einsteigen werden – davon wollen Denglers noch nichts wissen: „Sie sollen sich möglichst frei entwickeln“, sagt der Mannheimer Absolvent. Auch die beiden Schwestern seiner Frau sind im Familienunternehmen tätig. Die gesamte Familie wohnt fast Tür an Tür. Mehrmals im Jahr fahren sie alle gemeinsam in den Urlaub. „Ich hatte großes Glück mit dieser Familie. Sie hat mich von Anfang an herzlich aufgenommen und es mir sehr leicht gemacht, ein Teil von ihr zu werden“, sagt er. „Es ist schön, auf diesem Weg etwas zurückgeben zu können.“
Text: Nadine Diehl / April 2019