Internationale Studien­gänge an der Universität Mannheim

Studieren in Deutschland und zusätzlich den Abschluss einer Universität aus Kanada, Israel oder Frankreich erhalten – geht das? An der Universität Mannheim schon: Seit mehr als zehn Jahren gibt es Studien­gänge, bei denen die Mannheimer Studierenden die Hälfte des Studiums an einer ausländischen Universität verbringen und am Ende zwei Abschlüsse erhalten. Aber auch bei Studien­optionen ohne Doppel­abschluss können Studierende viel internationale Erfahrung sammeln.

Herzliya in Israel: Eine Stadt knapp 30 Autominuten nördlich von Tel Aviv mit fast 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier studierte Robert Kluge an der Reichman University für ein Semester den Studien­gang „Master in Management Analytics“, in dem es um die digitale Transformation geht: Vier Tage die Woche Vorlesungen und Seminare, am fünften Tag kennenlernen von israelischen Firmen und der Tech-Szene vor Ort. Der 27-Jährige erinnert sich: „Das war eine sehr spannende und intensive Zeit, weil wir quasi zwei Semester in einem absolviert haben. Alles war sehr praktisch ausgelegt mit vielen Präsentationen oder Ausarbeitungen und den Besuchen bei Start-ups in Tel-Aviv.“ 

Den Studien­gang bietet die Reichman University seit Herbst 2021 gemeinsam mit der Mannheim Business School (MBS) als erstes deutsch-israelisches Master­programm überhaupt an. Es handelt sich um ein Vollzeit­programm, das ein Jahr dauert und Berufserfahrung voraussetzt. Nach dem Semester in Israel kam Kluge dann mit seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen aus Kanada, Indien oder Vietnam für ein Semester nach Mannheim und schreibt inzwischen seine Master­arbeit bei einem DAX-Unternehmen. Bisher arbeitete er in einer Unternehmens­beratung als Senior Consultant: „Für mich passt der Master perfekt, denn ich konnte mich inhaltlich sehr gut weiterbilden, mir neue technische Skills aneignen und zusätzlich Auslands­erfahrung sammeln.“ Am Ende hat der Student dann jeweils einen Abschluss von der MBS und der Reichman University – ein sogenanntes „Double Degree“. 

Neben den universitären Erfahrungen im Ausland sind es die Begegnungen mit Land und Leuten, die die Zeit prägen. Robert Kluge flog extra früher nach Israel, um vor Studien­beginn noch das Land zu erkunden. Aber auch an freien Wochenenden war er mit Kommilitonen und Einheimischen zusammen unterwegs: „Wir besuchten unter anderem das Rote und Tote Meer, ein Festival in der Wüste und mehrmals Jerusalem“, erzählt der gebürtige Frankfurter. Wichtig war ihm gerade der Kontakt zu Einheimischen, um das Land und die Kultur besser zu verstehen: „Außerdem waren wir häufig in Yad Vashem – der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem – um uns auch mit dem Judentum auseinanderzusetzen.“  

Die Weichen für internationale Programme an der Universität Mannheim wurden schon im Herbst-/Wintersemester 2006 gestellt: Als erste, und bisher einzige deutsche Universität, führten die Mannheimer damals internationale Semesterzeiten ein. Seitdem beginnt die Vorlesungs­zeit schon im September und nicht, wie im Rest des Landes, Anfang oder Mitte Oktober. Dadurch können die Studierenden leichter ein Auslands­semester machen, dass in manchen Studien­gängen vorgeschrieben ist. „Außerdem macht diese Regelung die Universität populär bei internationalen Studierenden: Mehr als 1.000 internationale Studierende kommen pro Jahr für ein Auslands­semester nach Mannheim“, sagt Nadja Kindinger, Teamleitung Incoming-Austausch­studierende im Akademischen Auslands­amt.  

Die ersten internationalen Studien­programme gab es im Jahr 2009 mit dem Mannheim Master in Management (Betriebs­wirtschafts­lehre) und dem Master Economics (Volkswirtschafts­lehre). Sie laufen ab wie der Master von Robert Kluge: Eine Hälfte des Studiums findet in Mannheim statt, die andere im Ausland und am Ende gibt es zwei Abschlüsse. Programme dieser Art gibt es auch für Bachelor- und Master­studierende in den Bereichen Germanistik sowie Politik- und zukünftig Rechts­wissenschaften. In anderen Fällen, wie bei der Studien­option International Business Education Alliance (IBEA) im Bachelor BWL, sind die Studierenden für drei Semester im Ausland und erhalten am Ende ein Zertifikat. Oder beim Bachelor Romanische Sprachen, Literatur und Medien, bei dem ein einjähriger Auslands­aufenthalt verpflichtend ist.  

Besonders ist der Master Intercultural German Studies: Die Kooperation mit der Partner­universität in Waterloo (Kanada) besteht seit fast 50 Jahren und das aktuelle Joint Degree-Programm ist schon die zweite Kooperation zwischen den Universitäten. Bis vor gut 10 Jahren absolvierten die Mannheimer Studierenden in Kanada einen einjährigen Germanistik-Master und konnten sich diesen für ihren Magister anrechnen lassen. „Ursprünglich ging es darum, dass die kanadischen Studierenden hier Deutsch lernen und über die Jahre ist das Programm gewachsen. Ich selber habe in Waterloo einen Master gemacht und es war eine tolle Erfahrung, ein ganzes Jahr weg zu sein“, sagt Dr. Regine Zeller von der Fach­studien­beratung Germanistik. Alle Studien­optionen eint eines: Die Studierenden lernen nicht nur Studierende und Einheimische des Gastlandes kennen, sondern lernen zusammen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen aus der ganzen Welt. 

Abschluss im Ausland und Auslands­semester bringen mehrere Vorteile: Neben höheren Chancen auf dem internationalen Arbeits­markt auch interkulturelle Erfahrung und internationale Fach­kompetenz. „Man lernt, wie Menschen in anderen Ländern arbeiten und kommunizieren. Durch meine Erfahrungen in Israel kann ich meine Kolleginnen und Kollegen oder Geschäfts­partner aus anderen Ländern jetzt viel besser einschätzen und verstehen“, bestätigt Kluge. In seinen Augen ist Interkulturalität für jeden relevant, denn in Deutschland gebe es nicht nur große, internationale Unternehmen, sondern auch viele  Mittelständler, die ihre Waren exportieren. „Und auch die dortigen Mitarbeitenden benötigen Verständnis für Partnerinnen und Partner auf der anderen Seite des Globus.“  

Text: Luisa Gebhardt / Oktober 2022