Wer gibt, bekommt

Die Universität Mannheim ist bekannt für ihr weitreichendes Netzwerk aus Unternehmen und außeruniversitären Einrichtungen. Und das nicht ohne Grund: Stetiger Wissenstransfer in die Praxis lässt Bande entstehen, die halten. Beispiele sind Projekte in Kooperation mit Mannheimer Kultur­einrichtungen oder Start-ups und der Transfer von Technologien in die Unternehmens­welt.

Ob wissenschaft­liche Studien, Technologietransfer oder studentische Projekte – besonders über die Fakultät für Wirtschafts­informatik und Wirtschafts­mathematik sowie die Mannheimer BWL und die ihnen angeschlossenen Institute werden bleibende Kontakte zu namhaften Unternehmen aufgebaut. Das Institut für Enterprise Systems (InES) arbeitet beispielsweise sehr stark mit Partnern in der Industrie zusammen, realisiert mit ihnen Big Data-Projekte und entwickelt Technologien für die automatisierte Welt von morgen. Das Mannheim Center for Entrepreneurship and Innovation (MCEI) hat sich hingegen auf die Unterstützung von Start-ups spezialisiert.

In so genannten „Inside the Venture“-Projekten unterstützen Studierende Start-ups hinsichtlich spezifischer Herausforderungen und arbeiten zusammen an einer Lösung des Problems. Projekte sind unter anderem im Master­kurs „Entrepreneurial Spirit“ integriert, können aber auch über Master- und Bachelor­arbeiten durchgeführt werden. „Viele Start-ups haben schon ein Produkt, ihnen fehlt aber teilweise noch ein gutes Geschäfts­modell oder die richtige Preis­strategie. Diese entwickeln die Studierenden mit ihrem Wissen, das sie sich im Rahmen des Kurses aneignen“, sagt Nora Zybura vom MCEI. „Start-ups kämpfen meist mit knappen Ressourcen und wenig Mitarbeitern – das Konzept ist für sie deshalb eine große Bereicherung.“ Fast 50 solcher Projekte hat das MCEI allein in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich durchgeführt. Einige der Studierenden bleiben auch nach dem Studium bei dem jeweiligen Start-up – zum Beispiel als Praktikanten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Diese Vernetzung ist in dieser Form einzigartig in Deutschland. Das liegt auch an der Stadt Mannheim, die sehr zugänglich ist und ein funktionierendes Start-up-Öko­system aufgebaut hat“, sagt Dr. Jan Zybura, ebenfalls tätig am MCEI. „Man kennt einander. Man weiß, welche Start-ups gerade woran arbeiten und so kann man auch die Studierenden bestens vernetzen.“ Neu hinzugekommen seien Technologie­unternehmen, die sich aus Forschungs­zentren der Region, wie dem Deutschen Krebsforschungs­zentrum in Heidelberg oder dem Karlsruher Institute of Technology, herausgegründet haben. „Gerade bei technischen Einrichtungen gibt es einen großen Bedarf an BWL-Expertise. Durch das Konzept bekommt man also auch bessere Start-ups, die nicht nur eine neue Technologie verkaufen, sondern diese auch effizient ver­markten“, erklärt Dr. Jan Zybura. In Zukunft soll deshalb das Tech-Netzwerk der Universität noch stärker ausgebaut werden.

Auch an der Philosophischen Fakultät sind die Studierenden Dreh- und Angelpunkt des Transfers in die Praxis. Am Historischen Institut haben sie jedes Jahr die Möglichkeit, an einem einjährigen Projektseminar teilzunehmen. Seien es die Aufarbeitung der Geschichte der amerikanischen Soldaten in Mannheim, historische Gedenkstätten in der Region oder die Neukonzeption des Mannheimer Antikensaals – jedes Projekt läuft in enger Zusammenarbeit mit städtischen Kultur­einrichtungen. So haben 20 Master­studierende im Jahr 2016 ein Stück Mannheimer Stadtgeschichte im Schloss wiederauferstehen lassen: Der Antikensaal mit seinen Nachbildungen von Büsten und Skulpturen aus der griechischen Antike erstrahlt heute in neuem Glanz. Zu jedem Gipsabguss gibt es einen Erklärungs­text und auch im Internet ist der neue Antikensaal vertreten – auf Facebook, Instagram, mit eigener Webseite und einem Audioguide zum Download. Viele Jahre befanden sich die Skulpturen, die in der Tradition der berühmten kurfürstlichen Sammlung Carl Theodors stehen, kommentarlos im zweiten Stock des Ostflügels. In zwei Semestern konzipierten die Studierenden die Ausstellung und setzten sie multimedial um. Eine erfahrene Kuratorin der Kunsthalle Karlsruhe unterstützte sie dabei.

„Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die universitäre Geschichte mit außeruniversitären Einrichtungen so eng kooperiert“, sagt Althistoriker Prof. Dr. Christian Mann, der gemeinsam mit Prof. Dr. Hiram Kümper das Projektseminar leitete. „Die Hemmschwellen und Berührungs­ängste sind vielerorts groß. In Mannheim hingegen hat sich die Zusammenarbeit mit der Praxis stetig intensiviert.“ Seit Jahrzehnten schon arbeitet die Universität mit dem Mannheimer Stadtarchiv „Marchivum“ und den Reiss-Engelhorn-Museen (rem) zusammen. In den vergangenen Jahren hat die Universität diese Kooperationen institutionalisiert und Dr. Ulrich Nieß, Leiter des Marchivum, und rem-Direktor Dr. Wilfried Rosendahl zu Honorarprofessoren ernannt. „Beide sind hochrangig und gaben schon vorher regelmäßig Lehr­veranstaltungen für unsere Studierenden. Diese können wiederum für Examensarbeiten in den beiden Einrichtungen recherchieren“, sagt Mann. „Museen und Archive sitzen auf Schätzen, die sie nicht alle selbst bergen können. Deshalb hat der Austausch auch für sie einen Mehrwert.“

Und die Universität geht noch einen Schritt weiter: Im kommenden Jahr wird sie das so genannte Mammelsdorf-Zentrum gründen, das alle Mannheimer Institutionen, die am Transfer historischen Wissens in die Öffentlichkeit beteiligt sind, zusammenführt. Ob regionale Kultur­einrichtungen oder die Unternehmens­welt – zwischen der Universität Mannheim und ihnen fließt das Wissen. Und am Ende profitieren beide Seiten davon.

Text: Nadine Diehl / Oktober 2018