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Angehende Psychotherapeut*innen schätzen ihre Kompetenzen oft falsch ein

Eine aktuelle Studie zeigt, dass angehende Psychotherapeut*innen ihre psychotherapeutischen Kompetenzen oft unter- oder überschätzen. Das liefert wichtige Hinweise für Ausbildung und Beruf.

Pressemitteilung vom 28. Mai 2025
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Um Patient*innen wirksam psychotherapeutisch behandeln zu können, sind Praxis­kompetenzen und eine realistische Bewertung dieser Kompetenzen essenziell. Wie gut können sich jedoch angehende Psychotherapeut*innen selbst einschätzen? Eine aktuelle Studie von Psycholog*innen der Universität Mannheim zeigt: Die Selbsteinschätzung der eigenen therapeutischen Kompetenzen weicht oft erheblich von der Bewertung durch Expert*innen ab – mit potenziellen Folgen für Ausbildung und Praxis. 

Die Studie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Georg W. Alpers am Lehr­stuhl für Klinische und Biologische Psychologie und Psychotherapie der Universität Mannheim durchgeführt und ist in der Fach­zeitschrift „Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie“ erschienen. 

Im Rahmen eines Gesprächsführungs­praktikums führten 39 Master­studierende des Studien­gangs Klinische Psychologie und Psychotherapie Anamnesegespräche mit Simulations­patient*innen, die geschult worden waren, die Rolle eines*einer Patient*in einzunehmen. Eine Anamnese ist eine systematische Befragung von Patient*innen , bei der grundlegende Informationen zu ihrem Gesundheits­zustand ermittelt werden. Anschließend bewerteten die Studierenden ihre eigenen therapeutischen Fähigkeiten. Diese Selbsteinschätzungen wurden mit den Bewertungen geschulter Expert*innen verglichen, die die Gespräche als Videoaufzeichnung zur Verfügung gestellt bekamen.

Das Ergebnis: Die Über­einstimmung zwischen Selbst- und Fremd­bewertung war gering. Vor allem Studierende mit über­durchschnittlich guter Leistung tendierten dazu, ihre Kompetenzen zu unter­schätzen. Leistungs­schwächere Studierende hingegen überschätzten oft ihre Fähigkeiten. Diese Gruppe machte etwa ein Drittel der befragten Studierenden aus.

Ein weiterer Befund: Studierende mit hoher therapeutischer Selbstwirksamkeits­erwartung vor dem Praktikum bewerteten ihre Kompetenzen positiver, unabhängig von der tatsächlichen Leistung. Mit Selbstwirksamkeit ist der Glaube an die eigene Fähigkeit gemeint, therapeutisch wirksam zu sein. 

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Selbstreflexion allein nicht ausreicht, um die eigenen Kompetenzen realistisch einzuschätzen“, sagt wissenschaft­liche Mitarbeiterin und Erstautorin Dr. Laura-Ashley Fraunfelter. „Es braucht gezielte Rückmeldungen und Trainings, um Verzerrungen in der Selbstwahrnehmung zu erkennen und zu korrigieren.“ 

„Individuelles Feedback von Lehr­enden oder geschulten Fach­leuten ist zwar aufwendig und teuer“, erklärt Studien­leiter Prof. Dr. Georg W. Alpers, „aber die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass man auf diese Rückmeldungen nicht verzichten sollte, um die Studierenden bestmöglich auszubilden.“

Um dies umzusetzen, wurde am Lehr­stuhl von Alpers das Schauspielpatient*innen-Programm entwickelt, bei dem angehende Psychotherapeut*innen schwierige Gesprächssituationen einüben können. Unter­stützung dafür gab es durch ein neues Programm des Wissenschafts­ministeriums im Rahmen des „Fonds erfolgreich Studieren in Baden-Württemberg“. Mehr Informationen zum Projekt sind auch hier zu finden. 

Fraunfelter, L.A.; Gerdes, A.; Alpers, G.W. (2025). Spieglein, Spieglein an der Wand: verzerrte Selbst­bewertungen psychotherapeutischer Kompetenzen im Psychotherapie-Studien­gang. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-2547-8479

Kontakt:
Prof. Dr. Georg W. Alpers
Lehr­stuhl für Klinische und Biologische Psychologie und Psychotherapie 
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-2106
E-Mail: alpersmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de