Wie wirkt sich die Ausweitung von Corona-Tests auf die Rate der Neuinfektionen aus?

Der Mannheimer Wirtschafts­wissenschaft­ler Professor Ernst-Ludwig von Thadden hat ein einfaches Modell entworfen, das hilft abzuschätzen, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen bei der Virusbekämpfung auf welche Weise hilfreich sind.

Pressemitteilung vom 8. Mai 2020
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Weltweit suchen Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler nach Möglichkeiten, um der Ausbreitung des Coronavirus Einhalt zu gebieten. Viel Aufmerksamkeit wird dabei auf mathematische Modelle zur Seuchenbekämpfung gerichtet. Der Mannheimer Wirtschafts­wissenschaft­ler Ernst-Ludwig von Thadden hat nun ein einfaches Modell entwickelt, das das komplexe Zusammenspiel von Inkubations­zeit, möglicher Symptomlosigkeit und unentdeckter Ansteckung auf neue Weise verständlich macht. Damit lässt sich durchrechnen, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen bei der Virusbekämpfung welche Effekte haben. Sein Manuskript wurde in der neuen Fach­zeitschrift Covid Economics Ende April veröffentlicht.

Das Modell untersucht beispielsweise, mit welcher Verzögerung Maßnahmen wie eine Ausweitung von Tests auf mehr Verdachtsfälle auf die Rate der Neuinfektionen wirkt und nach welcher Zeit damit eine Verbesserung der Infektions­zahlen erwartet werden kann. Die sorgfältige Modellierung solcher Parameter ist wichtig, weil es nicht nur in Deutschland an verlässlichen Daten über die Epidemie fehlt und politische Entscheidungen unter größtem Zeitdruck gefällt werden müssen.

„Der Vorteil des Modells ist, dass es wichtige Parameter, die die Politik direkt beeinflusst, explizit berücksichtigt“, erklärt Prof. von Thadden. „Man kann deshalb einige inzwischen medizinisch recht gut verstandene Eigenschaften der Epidemie wie das Zusammenspiel von Inkubations­zeit und die Dauer der Infektiösität in das Modell einbauen. Damit lässt sich die Wirkung von Variablen wie Testintensität oder Kontaktsperren besser erfassen.“

Der neue Corona-Erreger hat mehrere unangenehme Eigenschaften, die die Bekämpfung von Covid-19 besonders erschweren. So sind Menschen bereits ansteckend, bevor sie Symptome zeigen. Ein vermutlich beträchtlicher Teil der Infizierten zeigt überhaupt keine oder nur minimalen Symptome. Neue Studien bestätigen, dass die sogenannte Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt als die Zahl der offiziell gemeldeten Infektionen. Dies macht nicht nur die Bekämpfung des Virus schwierig, sondern auch die Evaluation von gesundheitspolitischen Maßnahmen und die Abschätzung, wie sich das Virus verbreitet.

In seiner Publikation spricht sich der Mannheimer Mikroökonom zudem dafür aus, regional und lokal unterschiedliche Ansätze zur Bekämpfung des Virus in den politischen Vorgaben zuzulassen und sogar zu erm­untern, um aus den beobachteten Unterschieden Daten für verbesserte Modellrechnungen gewinnen zu können – und daraus zu lernen. „Wir brauchen verschiedene Erfahrungs­werte“, so von Thadden. „Ein bundes­weit einheitliches Vorgehen, wie von vielen gefordert, erscheint daher unproduktiv. Auch größere regionale Unterschiede von gesundheitspolitischen Maßnahmen, sollten, wenn wissenschaft­lich begleitet und gut kontrolliert, nicht nur zugelassen, sondern sogar gefördert werden.“

Im neuen Fach­journal Covid Economics haben mit Prof. Michèle Tertilt und Prof. Harald Fadinger zwei weitere Mannheimer Wirtschafts­wissenschaft­ler publiziert – ein Leistungs­ausweis, der zeigt, dass die Universität Mannheim zu einem wichtigen Ort auch im Bereich der wirtschafts­wissenschaft­lichen Coronaforschung geworden ist.

Links zu den Publikationen:

Ernst-Ludwig von Thadden, „A simple non-recursive model of the spread of Covid-19 with applications to policy“, Covid Economics 10, 24–43.

Michèle Tertilt, „The impact of Covid-19 on gender equality“ (mit T. Alon, M. Doepke, J. Olmstead-Rumsey), Covid Economics 4, 62–85.

Harald Fadinger, „The costs and benefits of home office during the Covid-19 pandemic: Evidence from infections and an input-output model for Germany“ (mit J. Schymik), Covid Economics 9, 107–134.

Kontakt:
Prof. Dr. Ernst-Ludwig von Thadden
Professur für Mikroökonomik und Finance
Universität Mannheim
https://www.vwl.uni-mannheim.de/von-thadden/
E-Mail: vthaddenmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel. +49 174 3146512
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de