Mannheimer Corona-Unternehmens­umfrage: Pauschalregel der Novemberhilfe benachteiligt einige stark betroffene Branchen

Ob die 75-Prozent-Pauschale der Novemberhilfe des Bundes das Überleben von Unternehmen sichern kann, ist in den stark betroffenen Branchen vielfach fraglich. Viele Unternehmen gerade in diesen Branchen haben wenig flexible Kostenstrukturen und werden durch eine Pauschalregel eher benachteiligt. Das zeigt die Corona-Befragung des German Business Panel (GBP) an der Universität Mannheim. An der repräsentativen Studie nahmen bundes­weit über 10.000 Unternehmen teil. Die Studie zeigt zudem, dass der zweite Lockdown – der gemeinhin als „light“ bezeichnet wird – genau die Unternehmen trifft, die bereits während der ersten Welle am stärksten betroffen waren. Damit wird ihre Überlebens­wahrscheinlichkeit erheblich gesenkt.

Pressemitteilung vom 27. November 2020
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Bereits die erste Corona-Welle hat viele Unternehmen in Deutschland stark belastet. Der zweite Lockdown stellt die Unternehmen nun erneut vor große Herausforderungen. Daher hat der Staat das Konjunktur­programm verlängert und die Hilfsmaßnahmen erweitert. Entscheidend sind jedoch vor allem die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit der staatlichen Hilfen. Die Studie des German Business Panel an der Universität Mannheim untersucht daher, wie wirksam die Maßnahmen tatsächlich sind: Wer profitiert am stärksten von Staats­hilfen? Wie wirkt die 75-Prozent-Pauschale der Novemberhilfe? Wer reduziert seit der Mehrwertsteuersenkung die Preise?

In den am stärksten betroffenen Branchen haben die staatlichen Hilfsmaßnahmen zwar eine gewisse positive Wirkung entfaltet. Doch das reicht nicht in jedem Fall aus, um die Überlebens­wahrscheinlichkeit der Unternehmen entscheidend zu erhöhen. Das zeigt die neue Studie. Bei Messe- und Kongressveranstaltern oder Reisebüros beispielsweise stieg die Überlebens­wahrscheinlichkeit durch staatliche Hilfen zwar um gut 30 Prozentpunkte, selbst damit liegt sie jedoch weiterhin unterhalb der 60-Prozent-Marke.

In den weniger stark betroffenen Branchen haben die staatlichen Hilfen in einigen Bereichen (zum Beispiel Landwirtschaft, öffentliche Unternehmen) wiederum so gut wie keine Wirkung entfaltet – selbst wenn sie in Anspruch genommen wurden. „Für eine bessere Zielgenauigkeit der Maßnahmen ist es somit wichtig, auch über wirkungs­vollere Zugangs­voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Hilfen nachzudenken“, argumentiert Professor Dr. Jannis Bischof von der Universität Mannheim. Bischof ist Inhaber des Lehr­stuhls für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre und Unternehmens­rechnung sowie Mitautor der Studie.

Anfang November wurden den Unternehmen nun neue Corona-Hilfen versprochen. So sollen Unternehmen beispielsweise pauschal bis zu 75 Prozent des Umsatzes erstattet werden, den sie im November 2019 erwirtschaftet haben. „Interessant ist, dass diese pauschale Regelung weniger Bürokratie und Verwaltungs­aufwand verursacht. Genau das wurde an den Maßnahmen im Frühjahr noch deutlich kritisiert“, so Bischof.

„Allerdings zeigen sich in den Daten erhebliche Unterschiede in den Kostenstrukturen, selbst innerhalb der erneut betroffenen Branchen“, fügt er hinzu. „Einigen Unternehmen fällt es sehr leicht, Kosten kurzfristig und flexibel zu reduzieren. Sie profitieren stark von der Pauschal­erstattung. Andere Unternehmen haben starre Kostenstrukturen, zum Beispiel aufgrund langfristiger Vertragsbindungen.“ Für diese Unternehmen könne, laut Bischof, die Pauschal­erstattung nachteilig sein und mit­unter nicht ausreichen, um das wirtschaft­liche Überleben zu sichern. Gerade diese Unternehmen seien es aber typischerweise, die sich etwa gegenüber ihren Mitarbeitern durch besondere soziale Verantwortung auszeichnen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie betrifft die Mehrwertsteuersenkung. Die Daten zeigen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer in vielen schwer getroffenen Branchen nicht zu niedrigeren Konsumenten­preisen geführt hat. In vielen Branchen erhöhten Unternehmen die Preise sogar. „Nichtsdestotrotz könnte die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer immer noch Wirkung entfalten“, bemerkt Professor Dr. Philipp Dörrenberg, ein weiterer Mitautor der Studie. Dörrenberg ist Inhaber des Lehr­stuhls für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre und Betriebs­wirtschaft­liche Steuerlehre an der Universität Mannheim. „Die Unternehmen müssen den Kostendruck, der den aktuellen Umständen geschuldet ist, weitergeben. Das führt zu höheren Preisen. Durch die Mehrwertsteuersenkung fallen diese benötigten Preiserhöhungen möglicherweise kleiner aus, sodass der Verbraucher und letztlich auch die Unternehmen profitieren“.

Die Studie „Empirische Er­kenntnisse zum zweiten Lockdown: Wer trägt die Last und wie wirken die staatlichen Hilfsmaßnahmen?“ basiert auf den Umfragen des German Business Panel, das das langfristige Befragungs­panel des DFG-geförderten überregionalen Sonderforschungs­bereichs „Accounting for Transparency“ ist. Regelmäßige Folge­studien, unter anderem zu steuerpolitischen und regulatorischen Änderungen im Zuge der Corona-Krise, sind geplant.

Die Zusammenfassung der Studie ist abrufbar unter: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2020/11/gbp_ergebnisbericht_november_2020.pdf

Hier geht es zur Website des GBP: https://www.gbpanel.org/

Zum Sonderforschungs­bereich „Accounting for Transparency“

Der Sonderforschungs­bereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Er ist der erste SFB mit betriebs­wirtschaft­lichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 80 Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler von acht Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forscherinnen und Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der European School of Management and Technology Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universität Frankfurt am Main und WHU – Otto Beisheim School of Management. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungs­wesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmens­transparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 12 Millionen Euro. Mehr Infos unter: www.accounting-for-transparency.de

Kontakt:
Prof. Dr. Jannis Bischof
Lehr­stuhl für ABWL und Unternehmens­rechnung
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181-1630
E-Mail: jbischofmail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel. +49 621 1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de