Presse­information

Daten von Meinungs­forschern sind meist unzulänglich

Die Auswertungen vieler privater Wahl­gruppen, Meinungs- und Markt­forschungs­instituten sind unzuverlässig. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie eines internationalen Forscherteams unter der Beteiligung der Mannheimer Daten­wissenschaft­lerin Prof. Annelies Blom. Das Problem betrifft nicht nur Newcomer, sondern auch renommierte Institute in Deutschland.

Die Aufgabe von Meinungs­forschungs­instituten ist es, zuverlässige Daten für die Prognose von Wahlen und für das Abbild von politischen Stimmungen und Meinungen zu liefern. Die Großen unter ihnen wie Allensbach, Infratest und Forsa dominieren seit Jahrzehnten das Geschäft der Demoskopen. Auf ihre Daten stützen sich Wahlprognosen oder Meinungs­umfragen wie das ZDF Politbarometer mit der Sonntagsfrage. Seit einigen Jahren wird die Qualität der Meinungs­daten jedoch zunehmend untergraben, weil viele Umfrageinstitute zu günstigeren aber wissenschaft­lich nicht fundierten Methoden greifen. Zudem drängen immer mehr neue Unternehmen auf den Markt, die schnelle Umfragen für kleines Geld versprechen.

Die meisten Meinungs­umfragen nutzen Online-Befragtenpools 

Sie offenbaren ein Problem, das die ganze Branche – dar­unter auch die etablierten Markt­führer – betrifft: Sie nutzen Online-Befragtenpools, für die sich die Teilnehmer selbst anmelden, oder sprechen Menschen über Banner-Anzeigen auf großen Nachrichtenseiten an. So bekommen sie Antworten von Personen, die sich aktiv bereit erklären, an einer solchen Online-Umfrage teilzunehmen. Diese Gruppe kann jedoch nicht repräsentativ für die ganze Bevölkerung sein, weil sie meist aus internetaffinen, politisch interessierten, gebildeten Menschen mittleren Alters besteht.

Internationale Studie zeigt: Viele Daten sind nicht bevölkerungs­repräsentativ

Diesem Thema ging ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Annelies Blom, Professorin für Politik­wissenschaft und Data Science an der Universität Mannheim.

Ihre Forschungs­ergebnisse sind in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Journal for Survey Statistics and Methodology veröffentlicht (siehe Link weiter unten). An dem Artikel sind drei weitere Mannheimer Data Scientists beteiligt:  Dr. Carina Cornesse, Dr. Alexander Wenz und Prof. Joseph Sakshaug.

In ihrem Artikel fassen sie die Ergebnisse von 25 Vergleichs­studien zusammen, in denen die Repräsentativität dieser so genannten nicht-probabilistischen Umfragen untersucht wurde. Das Resultat: Die große Mehrheit der Meinungs­umfragen liefert keine repräsentativen Ergebnisse. „Auch wenn die Zahl der Befragten in die Tausende geht, sind die Ergebnisse verzerrt, weil sie die Bevölkerung nicht adäquat abbilden. Das Versprechen, von einer Stichprobe auf die Allgemeinheit schließen zu können, kann so nicht eingehalten werden“, so Prof. Blom.

„Seriöse Studien ziehen eine Zufallsstichprobe, die Menschen verschiedenster Hintergründe aus allen Regionen Deutschlands erfasst“, so Prof. Annelies Blom weiter. „Diese Genauigkeit können jedoch viele kommerzielle Panels, die auf Online-Befragtenpools beruhen, nicht gewährleisten.“ Verlässliche Daten ließen sich nun einmal nicht herbeizaubern.

Ein Grund für die schlechte Datenqualität vieler Institute sei, dass die Branche unter enormem Kostendruck steht und die Daten an die Auftragsgeber immer schneller liefern muss. In diesen Markt drängen stets neue Institute, die für noch weniger Geld noch dubiosere Ergebnisse anbieten. „Dass die Daten unzureichend sind, ist ein großes Problem. Auch manche Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaft­ler nutzen solche Panels, um ihre Forschung durchzuführen“, erklärt die Daten­wissenschaft­lerin. Schlechte Datenqualität führe unter Umständen sogar zu Fehlschlüssen in der Wissenschaft und folgerichtig zu Fehlentscheidungen in der Wirtschaft oder in der Politik.

Link zum Artikel:
Carina Cornesse, Annelies G Blom et al. A Review of Conceptual Approaches and Empirical Evidence on Probability and Nonprobability Sample Survey Research. Journal of Survey Statistics and Methodology. January 2020.  https://academic.oup.com/jssam/advance-article/doi/10.1093/jssam/smz041/5699631?searchresult=1

Link zum Blogeintrag Keine Macht den Zauberdaten! von Prof. Annelies Blom: http://tiny.uni-mannheim.de/60t

 

Kontakt:

Prof. Annelies Blom, Ph.D.
Professur für Politik­wissenschaft, Data Science
Universität Mannheim
E-Mail: blommail-uni-mannheim.de

Yvonne Kaul
Forschungs­kommunikation
Universität Mannheim
Tel. +49 621 181-1266
E-Mail: kaulmail-uni-mannheim.de

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