Das Mannheimer Barockschloss und der Ehrenhof unter blauem Himmel.

„Persuasive Präsuppositionen: Psycholinguistische Evidenz für philosophische Argumentation“

Uhr

PD Dr. Dieter Thoma

SN 169

Gastvortrag des Philosophischen Seminars

PD Dr. Dieter Thoma (Mannheim) :
„Persuasive Präsuppositionen: Psycholinguistische Evidenz für philosophische Argumentation“

In der Praxis und in der deskriptiven Forschung wird behauptet, dass Präsuppositionen, wie das „too“ in "#MeToo“, die Über­zeugungs­kraft von Argumenten erhöhen. Über­raschenderweise gibt es kaum kausale Belege für diese Behauptung. Sbisà (1999) stellte bereits die Theorie auf, dass „persuasive Präsuppositionen“ die Adressaten dazu bringen, ihr (ideologisches) Wissen zu erweitern, um die unausgesprochenen Annahmen der Autoren über das Wissen der Adressaten zu bestätigen, was zu einer größeren Zustimmung führe. Wir haben experimentell überprüft, ob Werbung und politische Aussagen mit Präsuppositionen überzeugender sind als gleich­wertige Behauptungen. In Anlehnung an Sbisà stellten wir die Hypothese auf, dass die Über­zeugungs­kraft vom Bedürfnis und der Bereitschaft des Adressaten abhängt, den vorausgesetzten Inhalt zu akzeptieren.

Ich berichte über vier Experimente, in denen wir (a) den Auslöser der Präsupposition durch die additive Partikel „auch“, die iterative Partikel „wieder“ oder faktische Verben im Vergleich zu assertiven Äquivalenten (z. B. „wissen“ vs. „behaupten“) und (b) den vorangehenden Diskurskontext, der die Präsupposition unter­stützt oder nicht, manipuliert haben. Die Ergebnisse zeigen, dass Leser und Hörer Aussagen mit Präsuppositionen als überzeugender wahrnehmen und entsprechend handeln (z. B. mehr trinken in einer Blindverkostung), wenn sie diskursneue Informationen vermitteln, weitgehend unabhängig von der ideologischen Involvierung der Adressaten. Auch der mit Eyetracking überprüfte Blickverlaufs beim Lesen zeigte, dass der integrative kognitive Prozess der Akkommodation von Präsuppositionen ihre persuasive Wirkung auslöst. Die Ergebnisse implizieren, dass persuasive Kommunikation von der Verwendung lexikalisch vermittelter Präsuppositionen profitiert, wenn diese hinreichend informativ sind, um eine Akkommodation auszulösen, und unter­stützen generell Sbisàs sprach­philosophische Theorie.

Referenzen und weiterführende Literatur

  • Sbisà, M. (1999). Ideology and the persuasive use of presupposition. In Verschueren, J. (Ed.), Language and ideology: Selected papers from the 6th International Pragmatics Conference (pp. 492–509). International Pragmatics Association.
  • Sbisà, M. (2023), Ideology and the persuasive use of presupposition, Essays on Speech Acts and Other Topics in Pragmatics (Oxford, 2023; online edn, Oxford Academic, 22 June 2023), https://doi.org/10.1093/oso/9780192844125.003.0004
  • Thoma, D., Becker, K., & Kißler, A. (2023). Presuppositions are more persuasive than assertions if addressees accommodate them: Experimental evidence for philosophical reasoning. Applied Psycholinguistics, 44(5), 816–843. https://doi.org/10.1017/S0142716423000292

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