Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung von Daten zu sozialen Erscheinungen und Zusammenhängen. An der Universität Mannheim hat die empirische Sozialforschung eine starke Tradition. Sie ist oftmals interdisziplinär, international und vergleichend organisiert und in dieser Form prägend für das Profil der Universität.
Mehrere Disziplinen, insbesondere die Politikwissenschaft, die Soziologie und die Psychologie greifen sehr stark auf Ansätze und Methoden der empirischen Sozialforschung zurück und entwickeln diese für Forschung und Lehre weiter.
An der Universität Mannheim ist die empirische Sozialforschung vor allem am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) angesiedelt. Es ist heute das größte sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut einer deutschen Universität und seit Jahrzehnten sehr erfolgreich bei der Einwerbung der für exzellente Forschung notwendigen Fördergelder.
Irena Kogan untersucht in ihrem ERC-ausgezeichneten Projekt, wie in Deutschland neu eingereiste männliche Flüchtlinge ihre Partnerinnen finden. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich auf männliche Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan, die zwischen 18 und 30 Jahre alt sind. Für das Projekt erhielt die Mannheimer Soziologin im Dezember 2019 einen ERC Consolidator Grant in Höhe von knapp zwei Millionen Euro für die Dauer von fünf Jahren.
Das Projekt knüpft an eine in Mannheim laufende und von der DFG geförderte Langzeitstudie an, an der die Soziologin beteiligt ist. Dort werden Lebensverläufe bzw. Prozesse der Integration von jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund untersucht.
Der Soziologe Dr. Lars Leszczensky untersucht in seinem Forschungsprojekt, wie sich die sozialen Kontakte von Kindern und Eltern gegenseitig beeinflussen. Hierfür werden etwa 2.500 Kindergarten- und Schulkinder mitsamt ihren Eltern mehrmals im Abstand von je einem Jahr befragt, um ihre soziale Kontakte im Zeitverlauf zu analysieren. Für dieses Projekt erhielt er 2022 einen ERC Starting Grant in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro für die Dauer von 5 Jahren.
Jochen Gebauer erforscht in diesem Projekt, warum Menschen sich selbst und andere primär anhand der zwei Eigenschaftsdimensionen Durchsetzungsfähigkeit und Gutmütigkeit bewerten. In einem internationalen und interdisziplinären Team fokussieren sich die Forschenden durch Langzeitbefragungen und Laborexperimente vor allem auf den evolutionären Vorteil, den eine solche Bewertung bringen könnte. Der ESC unterstützt diese Forschungsarbeit in Form eines Consolidator Grants in Höhe von 2 Millionen Euro.
Das Projekt untersucht, wie sich mehrdeutige politische Positionen seitens Parteien auf die Wahlentscheidung von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch ihre Zufriedenheit mit der Demokratie auswirken. Dabei analysieren die Forschenden nicht nur die Effekte von politischer Ambiguität, sondern auch, unter welchen Umständen sie Bürgerinnen und Bürgern überhaupt erst bewusst wird.
Das am Manheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) angesiedelte Forschungsprojekt untersucht, wie Parteien sich während der Legislaturperiode positionieren und wie sich dies auf ihre Popularität auswirkt. Um die Effektivität von Wahlen als Mechanismen der Repräsentation zu gewährleisten, müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein:
Bürger müssen erstens vor der Wahl wissen, welche Positionen die Parteien vertreten, was sie also vorhaben, und zweitens nach der Wahl erfahren, ob die Parteien an den angekündigten Vorhaben festhalten. Ob diese Kriterien in der Praxis erfüllt sind, ist keinesfalls klar. Die zentralen Forschungsfragen sind
Die German Longitudinal Election Study (GLES) beobachtet und analysiert mit Blick auf drei Bundestagswahlen (2009, 2013 und 2017), wie die Wählerinnen und Wähler auf sich ändernde politische Gegebenheiten reagieren. Dazu zählen beispielsweise ein sich wandelndes Parteiensystem und schwierigere Mehrheitsverhältnisse als in früheren Zeiten. Anlässlich der Bundestagswahl 2009 wurde das komplexe und facettenreiche Forschungsdesign der GLES erstmals erfolgreich angewendet. Bereits kurz nach den Wahlen stellte das Projekt allen interessierten Forschenden einen beispiellosen Bestand hochwertiger Datensätze zur Verfügung. Mit den erhobenen Daten zur Bundestagswahl 2009 sowie 2013 wurde der elektorale Wandel in Deutschland in zahlreichen Publikationen aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert.
Unter der Leitung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurde im Juli 2017 das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) gegründet. Es soll bestehende Strukturen in der Migrations- und Integrationsforschung nachhaltig stärken, vernetzen und weiterentwickeln, zentrale Fragen der Migration und Integration bearbeiten und Forschungslücken schließen. Der Mannheimer Soziologe Frank Kalter ist vom BMFSFJ in die Doppelspitze des DeZIM berufen worden.
Derzeit laufen unter anderem folgende Forschungsprojekte im Rahmen der DeZIM-Forschungsgemeinschaft in Mannheim:
Im Mittelpunkt der Forschung von Prof. Sabine C. Carey, PhD und ihrem Team steht die empirische Analyse verschiedener Aspekte von gewaltsamen Konflikten, Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus und dem Niederschlagen von Aufständen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Rolle von Akteuren wie Pro-Regierungsmilizen sowie dem Zusammenhang zwischen Regierungsgewalt und Unterdrückung.
In einem ihrer Projekte erforscht Prof. Carey Charakteristika und Entstehungsursachen von Regierungsmilizen sowie die Folgen ihrer Aktivitäten. Bei Regierungsmilizen handelt es sich um bewaffnete Gruppen, die eine Verbindung zur Regierung haben, zum Beispiel in vom Bürgerkrieg erschütterten Ländern wie Syrien, Libyen oder Algerien – aber auch außerhalb von Kriegsgebieten. Sie erhalten von der Regierung oft Waffen und Training, befinden sich jedoch außerhalb der regulären Sicherheitsinstitutionen. Als Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit dient die Pro-Government Militias Database (PGMD), die circa 350 dieser Milizen weltweit zwischen 1981 und 2004 erfasst. Die Database wird zurzeit erweitert und umfasst zukünftig die Jahre bis 2014 und circa 500 Milizen. Ein Online-Guidebook stellt die wichtigsten Informationen in Kürze dar. Das Forschungsprojekt von Prof. Carey wurde bis Ende 2019 von einem ERC Starting Grant unterstützt.
Im Rahmen der Forschungsgruppe „Rekonfiguration und Internalisierung von Sozialstruktur“ (RISS) erforscht das Team um Prof. Dr. Richard Traunmüller die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf die soziale und politische Orientierung der Menschen. Dabei untersuchen die Mannheimer Forschenden das Phänomen des soziokulturellen Wandels aus einer übergeordneten Perspektive: durch Simulationsstudien und Meta-Analysen erhalten sie multidimensionale Erkenntnisse über den soziostrukturellen Wandel, sowie die soziale Identifikation von Individuen mit der Gesamtgesellschaft und mit gesellschaftlichen Teilgruppen.
Das Forschungsprojekt RISS ist eine Zusammenarbeit der Universität Mannheim und der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und wird vom DFG mit drei Millionen Euro gefördert.