Eine Person trägt ein hellblaues Hemd, einen hellblauen Pullunder sowie einen schwarzen Blazer und steht in einem Flur. Die Person heißt Erije Boughattas.

„Ich habe hier viel gelernt – nicht nur für Prüfungen, sondern auch für mich selbst“

Erije Boughattas kommt aus Sousse, der drittgrößten Stadt Tunesiens. Aktuell studiert sie im achten Semester den Bachelor Betriebs­wirtschafts­lehre an der Uni Mannheim. Weshalb ihr Start in Deutschland nicht einfach war, wo sie ihr Auslands­semester verbracht hat und welchen Kulturschock sie am Anfang erlebte, verrät sie in ihrer myUniMA story.

Du bist bereits seit 2012 in Deutschland. Was sind deine ersten Erinnerungen?

In meinem ersten Jahr in Deutschland habe ich einen richtigen Kulturschock erlebt: Wir sind zum Fastnachtsumzug nach Mainz gefahren, ohne wirklich zu wissen, was uns dort erwartet. Als ich dann einen Umzugswagen gesehen habe, auf dem Angela Merkel provokant dargestellt wurde, war ich sehr verwirrt. In Tunesien würde man sich das nicht trauen. Mein Highlight war allerdings die Musik: Zu dem Zeitpunkt konnte ich nur wenig Deutsch, aber die Liedtexte waren so einfach, dass ich sie verstehen und auch schnell mitsingen konnte (lacht).

Trotz dieser Erfahrung bist du in Deutschland geblieben. War Mannheim deine erste Wahl?

Mein Ziel war es, nach einem einjährigen Sprachkurs in Heidelberg Elektrotechnik zu studieren, weshalb ich mich an der Universität Stuttgart immatrikuliert habe. Aber ich musste schnell feststellen, dass mir der Studien­gang gar nicht liegt und inhaltlich nicht gefällt. Eine Freundin hat mir dann von der Uni Mannheim und dem Studien­gang „Bachelor Kultur und Wirtschaft: Romanistik“ erzählt. Da Französisch eine meiner Muttersprachen ist und mich die Kombination mit BWL sehr angesprochen hat, habe ich mich sofort in Mannheim beworben – und wurde zum Glück angenommen.

Wie kommt es, dass du jetzt den BWL-Bachelor studierst?

In den ersten beiden Semestern lief das BaKuWi-Studium sehr gut und hat mir viel Spaß gemacht. Doch dann bin ich leider im dritten Semester durch die Orientierungs­prüfung in Romanistik gefallen und habe meinen Prüfungs­anspruch verloren. Das war ein riesiger Schock für mich – ich wusste nicht, wie es weiter gehen soll. Als das Akademische Auslands­amt davon erfahren hat, haben sie Kontakt zu mir aufgenommen und mir ihre Unterstützung angeboten. Sie erklärten mir, dass ich mich trotz allem für den Bachelor in BWL bewerben kann. Ich bin so dankbar für die Unterstützung in dieser Zeit. Ohne ihre Hilfe würde ich jetzt nicht kurz vor meinem Bachelor-Abschluss stehen.

Was gefällt dir an deinem Studium und der Uni Mannheim besonders gut?

Zunächst hatte ich ein wenig Angst, dass mir BWL schwerfallen wird. Aber es läuft sehr gut und ich bin froh, dass ich an der Uni Mannheim bleiben konnte. Am Studium mag ich sehr, dass es so vielfältig ist. Es gibt eine Menge interessanter Themen. Marketing und Management, insbesondere der Bereich Nachhaltigkeit, gefallen mir am besten. Außerdem ist es für mich von Vorteil, dass viele Veranstaltungen auf Englisch angeboten werden, weil mir das Verstehen leichter fällt. An der Uni Mannheim zu studieren, würde ich auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich habe hier viel gelernt – nicht nur für Prüfungen, sondern auch für mich selbst: Durch das Studium bin ich selbstbewusster geworden und habe viele Kompetenzen dazugewonnen, zum Beispiel logisches Denken oder eine bessere Urteils­fähigkeit. Deswegen möchte ich unbedingt meinen Master in Mannheim machen. Zu meiner Familie sage ich immer: Ich hatte so großes Glück, trotz meines schwierigen Starts am Ende hier gelandet zu sein. Die Atmosphäre an der Uni ist so angenehm und es freut mich, dass es hier viele internationale Studierende gibt, mit denen ich mich austauschen kann. Am Schlossfest stand ich einmal mit Kommiliton*innen auf der Schlossterrasse, habe die Aussicht genossen und mir gedacht: Es ist so schön, hier studieren zu können.

Du warst für ein Semester an der University of Exeter in Großbritannien. Was hast du dort erlebt?

Die Stadt ist zwar kleiner als Mannheim, aber der Campus der Universität ist beeindruckend: Dort gibt es sogar ein Krankenhaus und eine Polizeistation. Durch die rund 22.000 Studierenden hat es sich angefühlt wie eine eigene Stadt, in der nur Studierenden leben. Besonders interessant war für mich zu sehen, wie das BWL-Studium bei anderen deutschen Austausch­studierenden abläuft. Ich glaube, keiner der anderen hat dort so viel ans Lernen gedacht wie ich – das war wohl meine „Mannheimer Mentalität“ (lacht). Diese Einstellung hilft mir aber auch, denn dadurch komme ich in der Klausuren­phase nicht so sehr in Stress.

Du bist auch studentische Hilfskraft an der Uni. Wo genau arbeitest du?

Ich arbeite seit Januar dieses Jahres selbst beim Akademischen Auslands­amt. Hauptsächlich unterstütze ich das Team bei der Betreuung von internationalen Studierenden, insbesondere Geflüchteten. Das Akademische Auslands­amt vermittelt ihnen zum Beispiel Deutschkurse, an denen sie dank einer DAAD-Förderung kostenlos teilnehmen können. Meine Aufgaben sind dabei rein administrativ. Außerdem arbeite ich an den Social-Media-Auftritten mit. Texte für unsere LinkedIn-Seite zu schreiben oder Grafiken zu erstellen, macht mir großen Spaß.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Nach dem Master möchte ich noch ein paar Jahre in Deutschland bleiben und Arbeits­erfahrung sammeln. Ich empfinde es als großes Glück, dass ich in Deutschland studieren und arbeiten darf. Irgendwann würde ich gerne noch ein anderes Land entdecken, dort arbeiten und die Kultur kennenlernen. Mein Traum wäre es, eines Tages bei der UN zu arbeiten. Aber auch einen Job bei einer NGO kann ich mir gut vorstellen. Es war mir schon immer wichtig, mich für Themen wie Klimaschutz, Menschenrechte oder Gleichberechtigung einzusetzen.

Text: Jessica Scholich / April 2022