Porträt von Weiqing Zhu, im Hintergrund ist ein Teil des Schlosses und ein grüner Busch zu sehen.

„Ich will mit meinem Wissen einen sozialen Mehrwert schaffen“

Weiqing Zhu ist in China, in einer Region am Rande des tibetischen Plateaus, aufgewachsen. Nach einem Bachelor­studium in Informations­management und Informations­systemen arbeitete sie ein Jahr als IT-Beraterin in einem internationalen Unter­nehmen, welches sie mit deutschen Unter­nehmen in Kontakt brachte und ihr Interesse an der deutschen Kultur weckte. Heute studiert die 26-Jährige im siebten Master­semester Wirtschafts­informatik an der Uni Mannheim und ist gerade dabei, ihre Abschlussarbeit zu schreiben. In der myUniMA story erzählt Weiqing von ihrem Heimatland und ihren Beweggründen, in Deutschland zu studieren.

Du bist in Qinghai, einer Region reich an tibetischer Kultur, aufgewachsen. Was macht diese Kultur einzigartig und was konntest du durch sie lernen?

Ich lebte 17 Jahre lang in Qinghai und bin mit vielen verschiedenen ethnischen Minderheiten aufgewachsen. Ich glaube, viele Menschen wissen nicht, dass es in China mindestens 55 offiziell anerkannte ethnische Minderheiten gibt. Viele meiner Freund*innen haben einen anderen kulturellen Hintergrund mit einer eigenen Sprache und eigenen Festen. Ich glaube, das hat mich ziemlich offen gemacht. Es fällt mir leicht, etwas Neues zu akzeptieren und zu lernen, denn ich weiß, dass jeder Mensch einzigartig ist.

Was hat dich dazu bewegt, nach Deutschland zu kommen und an der Uni Mannheim zu studieren?

Im dritten Jahr meines Studiums in China habe ich angefangen, darüber nachzudenken, was ich nach meinem Abschluss machen werde. Mein Lieblingsprofessor schlug mir vor, im Ausland zu studieren. Nach dem Studium habe ich ein Jahr lang in China gearbeitet und weil es sich um ein internationales IT-Unter­nehmen handelt, gab es auch einige Niederlassungen in Europa und Amerika. So lernte ich Kolleg*innen aus anderen Ländern kennen. Ich habe wirklich Lust darauf, viele Leute kennenzulernen und neue Erfahrungen zu machen, die mich bereichern. Deshalb wollte ich im Ausland studieren.

Für Mannheim habe ich mich entschieden, weil ich aus der Wirtschafts­informatik komme und mir der Studien­gang hier sehr gut gefällt, weil er auf Englisch ist und eine Mischung aus Informations­systemkursen, Data Science-Kursen und Wirtschafts­kursen. Für mich ist es sehr abwechslungs­reich, aus verschiedenen Gebieten wählen zu können. 

Was gefällt dir an deinem Studium?

Ich denke, mein Studium ist ziemlich anspruchsvoll. Viele Kurse haben eine Prüfung, eine Präsentation und ein kleines Projekt, was bedeutet, dass wir mit anderen Personen zusammenarbeiten müssen. Das ist eine Herausforderung: Man muss sich auf sein Studium konzentrieren, sich auf die Prüfung vorbereiten und mit anderen Leuten zusammenarbeiten und seine Programmier­fähigkeiten verbessern. Aber in der Zwischenzeit habe ich auch eine Menge Freund*innen gefunden und mehr und mehr Leute kennengelernt. Ich denke, es ist eine gute Möglichkeit, um Freund*innen zu finden. Das weiß ich wirklich zu schätzen.

Du lebst bereits seit über drei Jahren in Mannheim. Gibt es Dinge, die du aus deiner Heimat vermisst?

Ja, ich vermisse definitiv meine Familie, das Essen und die Möglichkeit, mit meinen Freunden und meiner Familie an traditionellen Feiertagen zu feiern. Und noch etwas anderes vermisse ich: In China habe ich viel getanzt und wir haben auf der Straße Tanzvorführungen gemacht. Ich mache sehr gerne Sport. Deshalb trainiere ich viel beim Unisport und probiere auch viele verschiedene Tänze aus.

… Und Dinge, die du an Deutschland besonders wertschätzt?

Ich erinnere mich, dass ich letztes Jahr ziemlich ängstlich war, was unsere Prüfung anging, weil sie für mich wirklich schwierig war. Ich fühlte mich sehr schlecht, weil ich nicht wusste, wie ich mich darauf vorbereiten soll. Zum Glück gibt es die Psychologische Beratungs­stelle, die vom Studierenden­werk angeboten wird. Ich glaube, das ist wirklich nützlich. Ich habe das Angebot angenommen und die Prüfung bestanden. An viele Dinge, die ich damals gelernt habe, erinnere ich mich noch heute. Sie helfen mir dabei, positiv zu bleiben.

Ich habe auch im Institut für Sport im Büro gearbeitet. Am Anfang konnte ich mich nur sehr schwer eingewöhnen. Ich spreche nicht viel Deutsch, aber als ich dort gearbeitet habe, sprachen jeden Tag viele Leute Deutsch mit mir. Ich habe gemerkt, dass es so viele Leute gibt, die freundlich sind und mit mir reden wollen. Das war der Beginn, dass ich mich hier wirklich versucht habe einzuleben.

Welchen Ratschlag würdest du anderen Studierenden mit auf den Weg geben?

Ich denke, als internationaler Student versucht man immer, sich selbst zu schützen, weil man mit der Umgebung nicht wirklich vertraut ist. Das schränkt die Neugierde ein. Ich würde jeden dazu ermutigen, über seinen eigenen Schatten zu springen und alles zu erkunden, denn es gibt mehr zu entdecken, als man denkt.

Du bist gerade dabei, deine Abschlussarbeit zu schreiben. Hast du bereits Pläne für deine weitere Zukunft?

Meine Master­arbeit befasst sich mit der Verbesserung der Effizienz und der Reduzierung der für die Datenverarbeitung erforderlichen Rechenleistung durch die Anwendung spezieller Algorithmen. Das ist gut für die technologische Entwicklung und auch gut für die Umwelt. Ich arbeite derzeit auch als Werkstudentin und helfe bei der Anwendung von IT-Technologie in einigen Unter­nehmen. Ich erwarte von meiner Zukunft, dass ich mit meinem Wissen einen sozialen Mehrwert schaffe. Und wenn du mich fragst, ob ich in Deutschland bleiben möchte: Ja, das möchte ich. Denn es gefällt mir wirklich gut.

Interview: Celine Gerger / Juni 2024