„Als internationale Studentin wächst man über sich hinaus“
Tushna Vevaina ist 25 Jahre alt und in Indien aufgewachsen. Nach ihrem Bachelor- und Masterabschluss in Mumbai kam sie nach Mannheim, um den Mannheim Master in Management (MMM) zu studieren. Sie ist mittlerweile im fünften Semester und hat ihr Studium fast abgeschlossen. In ihrer myUniMA story erzählt sie, warum sie an der Global Innovation Challenge in Taiwan teilgenommen hat und weshalb sie gerne in Deutschland lebt.
Warum hast du dich für den MMM an der Universität Mannheim entschieden?
Während meines Bachelors habe ich 2015 ein Auslandssemester in Deutschland absolviert. Danach wollte ich die ganze Zeit wieder zurück nach Deutschland. Ein paar Jahre nach meiner Rückkehr nach Indien hat sich meine Schwester dann für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim entschieden. Nachdem sie mit dem Studium angefangen hatte, schwärmte sie von den unkomplizierten Abläufen, dem guten Ruf der Universität und der Unterstützung, die sie von der Universität erhielt. Als ich mir daraufhin das MMM-Programm ansah, fand ich es super interessant: Man kann zwischen Kursen aus verschiedenen Bereichen wie Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Menschenrechte, Public Blockchain oder der Finanzwelt wählen. Außerdem bietet die Universität viele weitere Angebote, wie beispielsweise die Career Fair. Aus diesen Gründen habe ich mich für das MMM-Programm beworben, nachdem ich nach meinem Bachelorabschluss schon zwei Jahre bei Deloitte in Indien gearbeitet hatte. Ich war sehr glücklich, als ich zugelassen wurde.
Du warst im vergangenen Semester unter den Mannheimer Teilnehmenden der Global Innovation Challenge in Taiwan. Worum geht es bei dieser?
Die Global Innovation Challenge ist eine der Möglichkeiten für Studierende in meinem Studiengang, einen Kurs im Ausland zu absolvieren. Der Kurs ist eine Zusammenarbeit zwischen acht Universitäten aus Taiwan, den Niederlanden, Australien, dem Vereinigten Königreich, Portugal, Südafrika, Norwegen und der Universität Mannheim. Im Sommer haben vier dieser Universitäten eine „Challenge“ angeboten und ich habe mich aufgrund des Kurses „Advancing the Growth with Digital Asia“ für die Universität Taiwan entschieden. Die Digitalisierung hat mich schon immer fasziniert und während eines Praktikums bei SAP hat sich mein Interesse an diesem Thema noch verstärkt.
Fünf Teilnehmende wurden als Botschafterinnen und Botschafter ausgewählt, um die Universität Mannheim zu vertreten. Normalerweise besucht man die Kurse vor Ort an der Universität, aber aufgrund der Pandemie musste ich in Mannheim bleiben und absolvierte den Kurs jeden Tag zwischen zwei und zehn Uhr morgens. Wir haben an Workshops und Gastvorträgen teilgenommen, aber auch gelernt, wie Blockchains, Informationssysteme und Programmiersprachen wie Python funktionieren, was für mich eine persönliche Herausforderung war. Der Kurs umfasste verschiedene Bereiche von Fintech und Start-ups bis hin zu großen Unternehmen speziell in Taiwan, aber auch im globalen Kontext. Das Beste war, dass wir mit Masterstudierenden von verschiedenen Universitäten aus der ganzen Welt zusammenarbeiten konnten, deren Ansichten für mich sehr interessant waren. Es gab zum Beispiel einige erfahrenere MBA-Studierende einer südafrikanischen Universität. Es ist schade, dass ich den Kurs nicht vor Ort in Taiwan besuchen konnte, aber ich bin trotzdem froh, dass ich teilnehmen und durch die Erfahrungen meiner Kommiliton*innen viel lernen konnte.
Was machst du neben deinem Studium?
Während meines Masterstudiums hatte ich mehrere Jobs an der Universität, zum Beispiel am Lehrstuhl für Marketing und Innovation und am Lehrstuhl für Unternehmensführung, um herauszufinden, ob ich in diesen Bereichen promovieren möchte. Außerdem habe ich mehrere Praktika absolviert und Jobs bei SAP und Bosch angenommen. Bei SAP habe ich Innovationen in Bezug auf Geschäftsmodelle und Technologietrends kennengelernt. Aufgrund meines geweckten Interesses für Vielfalt und Inklusion habe ich dort auch in diesen Bereichen gearbeitet. Bei Bosch konnte ich an der digitalen Transformation und dem datengetriebenen Geschäft für die Zukunft der Mobilität mitarbeiten. Dank des Netzwerks und der Reputation der Universität Mannheim hatte ich schon sehr früh die Chance, an solch fortschrittlichen, innovativen Themen von strategischer Bedeutung zu arbeiten. Jetzt bin ich bei Henkel als Praktikantin im Bereich der Global Market Strategy tätig. Außerdem hatte ich dank meiner Jobs an der Universität die Möglichkeit, an Konferenzen für Professor*innen sowie Doktorand*innen teilzunehmen, die ich sehr interessant fand, weil dort auch Personen aus der Wirtschaft zu Wort kamen, die den akademischen Blickwinkel durch ihre Unternehmensperspektive ergänzten. Durch die Teilnahme an einer Konferenz im März wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich später in der Wirtschaft arbeiten möchte.
Hast du das Gefühl, dass dich deine Zeit in Mannheim verändert hat?
Wenn ich mein Leben in Mannheim mit dem in Indien vergleiche, habe ich hier als Frau mehr Freiheiten und werde auch mehr respektiert. Das ist mir wichtig, weil ich hier die Bedeutung und den großen Wert von Freiheit erfahren habe. Das Wohnheim, in dem ich lebe, legt viel Wert auf Vielfalt und Internationalität. Und ich habe viele Freund*innen gefunden und viel über den deutschen Lebenswandel gelernt. Die Menschen, die ich in meinem Wohnheim oder an der Universität kennengelernt habe, sind einfach toll. Die Gespräche mit Leuten aus anderen Studienrichtungen haben mir geholfen, meine persönliche Entwicklung in Deutschland zu reflektieren: Ich kam hierher als ein Mädchen, das sich nicht sicher war, wo sein Platz in dieser Welt ist. Heute kann ich die meisten Situationen selbstbewusst meistern, habe ein genaues Verständnis der Welt und auch davon, wer ich bin. Als internationale Studentin wächst man über sich hinaus.
Vermisst du dein Heimatland?
Ich denke nicht, dass ich wieder in Indien leben kann. Zwar habe ich eine gewisse emotionale Bindung an das Land, aber ich bin in Deutschland viel glücklicher. Seit ich in Mannheim lebe, war ich nicht mehr in Indien und ich glaube auch nicht, dass ich nächstes Jahr hinfliege. Die meisten traditionellen indischen und deutschen Feste feiere ich mit meinen Freund*innen hier und dieses Jahr haben mich auch meine Eltern und ein paar Freund*innen aus Indien besucht. Ich kann mir nicht einmal mehr vorstellen, beruflich nach Indien zurückzugehen. Mittlerweile fühle ich mich mit der deutschen Kultur wohler. Ich bin zwar in Indien aufgewachsen, stamme aber nicht aus einer traditionellen indischen Familie, da unsere Wurzeln in Persien liegen. Ich hatte immer das Gefühl, dass Indien meine Heimat ist, aber dass ich auch noch einen Ort finden kann, der sich mehr wie meine Heimat anfühlt. Und den habe ich in Mannheim gefunden: In den letzten drei Monaten habe ich im Großraum Stuttgart gelebt und obwohl ich zuvor immer überlegt habe, Mannheim zu verlassen, habe ich in dem Moment, als ich es dann getan habe, realisiert, dass Mannheim mein Zuhause ist.
Welchen Rat würdest du anderen internationalen Studierenden geben?
Ich würde ihnen raten, den Sprung ins Ungewisse zu wagen und keine Angst zu haben, weil am Ende alles klappen wird. Sie sollten die deutsche Sprache lernen und sich darauf einstellen, neben dem Studium auch zu arbeiten. Dabei sollten sie versuchen, sich so gut wie möglich selbst zu versorgen, also eigene Rechnungen zahlen, mit der deutschen Bürokratie zurechtkommen, einkaufen gehen, kochen und putzen. All diese Aufgaben wären für mich in Indien keine Herausforderung gewesen, weil meine Eltern sie für mich erledigt hätten oder ich durch unsere Dienstmädchen und Fahrer*innen unterstützt worden wäre. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, auch wenn es zunächst mit einer großen Umstellung verbunden ist. Wenn man erst einmal hier ist, wird man sich in das Leben hier verlieben!
Text: Sabrina Wagner / September 2022