Gastvortrag: Dr. Dominic Roser (Fribourg)
Sollten wir die Bevölkerungsgröße beeinflussen, um Klimaziele zu erreichen? In diesem Vortrag argumentiere ich nicht primär für ein Ja oder Nein zu dieser Frage, sondern hauptsächlich dafür, dass wir diese Frage nicht öffentlich diskutieren sollten.
Zwei Beobachtungen liegen dieser These zugrunde. Erstens ist die Diskussion über die Bevölkerungsgröße nicht selten mit rassistischen, sexistischen oder lebensverneinenden Einstellungen, fehlender Sensibilität gegenüber unfreiwillig kinderfreien Paaren und belastendem Druck auf potenzielle zukünftige Eltern verbunden. Einige dieser Probleme sind in der Debatte vermeidbar, andere kaum. Zweitens bietet die Diskussion über die Bevölkerungsgröße erstaunlich wenig Mehrwert für das Klima. Gegeben, dass die gesamten Treibhausgasemissionen sehr schnell auf Null sinken müssen, ist die Bevölkerungsgröße nur ein kleiner Teil der Gesamtlösung für den Klimawandel. Und soweit sie Teil der Lösung ist, kann sie zumindest teilweise als Nebeneffekt der Verfolgung nicht-ökologischer Ziele wie Geschlechtergleichstellung und wirtschaftliche Gerechtigkeit erreicht werden. Hinzu kommt, dass einige der prominent genannten Zahlen zum Klimaeffekt des Kinderkriegens auf fragwürdigen Annahmen basieren.
Kombiniert man die beiden Beobachtungen, so scheint es, dass die Diskussion über die Bevölkerungsgröße verschiedene Nachteile und wenig Vorteile mit sich bringt. Die oft beklagte Tabusierung der Bevölkerungsfrage ist somit gar nicht so beklagenswert.