Bild des Ehrenhofs der Universität Mannheim mit der Aufschrift "FORUM. Das Magazin von Absolventum und der Universität Mannheim."

„Wir haben eine lange Reise vor uns“

In der freien Wirtschaft ist das Einstiegsgehalt von Informatikerinnen und Informatikern teilweise doppelt so hoch wie am Ende der Karriere in einer öffentlichen Institution. Das Rechenzentrum der Universität Mannheim ringt deshalb um Fach­kräfte, die Lage ist prekär. Dr. Josef Kolbitsch kämpft seit 2016 als Leiter des Rechenzentrums dagegen an. Er will es zu einem der modernsten in der deutschen Hochschul­landschaft machen – und ist auf einem guten Weg.

FORUM: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Informatikerinnen und Informatiker 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen – da kann das Rechenzentrum der Universität Mannheim nicht mithalten. Was bedeutet das für Sie?

Kolbitsch: Wir sind als Arbeitgeber in der IT nicht konkurrenz­fähig. Oft bleiben Stellen bis zu einem Jahr lang unbesetzt, die Lücken müssen wir übergangsweise mit teueren Freelancern schließen – das tut weh. Weltfirmen, wie Microsoft und SAP, stehen bereits selbst gegeneinander im Kampf um Fach­kräfte – nur mit wesentlich höheren Gehältern. Hinzu kommt die bisher unattraktive Arbeits­umgebung. Wir arbeiten in einem Hochhaus aus den 1960er Jahren in L 15, am Rande der Quadrate. Mit dem Neubau in A 5 möchten wir das ändern. Wir wollen eines der modernsten Hochschul­rechenzentren Deutschlands errichten, nur so können wir uns als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

FORUM: Die Stadt hat der Universität im März den Weg für das Baurecht für A 5 frei gemacht. Bis 2024 soll das neue Gebäude stehen. Haben Sie schon genauere Vorstellungen, wie es aussehen soll?

Kolbitsch: In Zukunft befinden wir uns im Herzen des Campus. Wenn Sie den modernen Gebäudekomplex betreten, gelangen Sie zunächst in einen lichtdurchfluteten und für alle frei zugänglichen Eingangs­bereich, wo unsere Services für Nutzerinnen und Nutzer untergebracht sein werden. Darüber befinden sich unsere Arbeits­bereiche, wo Silicon-Valley- Atmosphäre herrscht. Statt typischen Einzel- und Zweierbüros wie heute setzen wir in Zukunft stark auf offene Bereiche mit unterschiedlichen Arbeits­möglichkeiten, wo man sich gut austauschen kann. Unsere Server, der Hochleistungs­rechner und die IT-Infrastruktur verschwinden alle im Keller, der mit neuester Klimatechnik ausgestattet sein wird. Wir gestalten die gesamte Technik nach dem Prinzip der „Green IT“, das heißt unsere Server arbeiten energiesparend und mit geringer Abwärme. Das ist unsere Idealvorstellung des Gebäudes und ich hoffe, dass wir sie gemeinsam mit den Architekten weitestgehend umsetzen können.

FORUM: Reicht ein modernes Gebäude, um Fach­kräfte zu bekommen?

Kolbitsch: Nein, wir haben noch eine lange Reise vor uns. Das ist nur ein Baustein von vielen. Junge, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommt man auch über spannende Projekte und Themen, die gerade besonders angesagt sind – wie Machine Learning und Big Data. Das versuchen wir gerade parallel zum Tagesgeschäft zu starten. Als Arbeitgeber haben wir durchaus etwas zu bieten. Was uns auszeichnet, sind die tolle Arbeits­atmosphäre und die vielen innovativen Projekte, die wir für die Lehr­stühle, Fakultäten und die Verwaltung umsetzen. Außerdem sind wir als Universitäts­rechenzentrum von tausenden jungen begabten Menschen umgeben – das hat kein anderer Arbeitgeber in der IT-Branche zu bieten.

FORUM: Welche Steine konnten Sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren als Leiter des Rechenzentrums bereits ins Rollen bringen?

Kolbitsch: Ich glaube, ich habe es geschafft, an vielen kleinen Stellen Veränderungen anzustoßen. Dazu gehört vor allem, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Rolle als Rechenzentrum sich radikal gewandelt hat. Wir sind nicht mehr ein reiner Dienstleister, der damit beauftragt wird, ein IT-Problem zu lösen – dazu sind die Problemstellungen viel zu komplex geworden. Wir verstehen uns als Partner, der über den gesamten Prozess von der Idee über die Planung bis zum Endprodukt dabei ist und die jeweiligen Stellen bei der Umsetzung unterstützt. Der Web-Relaunch ist solch ein Beispiel. Das Universitäts-IT wird in den kommenden fünf Jahren jedenfalls völlig anders aussehen. Nicht nur räumlich – auch die Aufgaben, die Schwerpunkte und die Organisation werden sich verändern.

FORUM: Und dabei reden alle mit – Sie selbst stehen für einen neuen Führungs­stil, für mehr Gestaltungs­raum und Mitsprache Ihrer rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was bedeutet das konkret?

Kolbitsch: Ich sage nie, ich bin der Chef und ich entscheide das jetzt, sondern ich versuche, meinen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, selbst zu gestalten. Das geht von der Suche nach einem neuen Namen für die Universitäts-IT, der besser widerspiegelt, was wir tun, bis hin zur Planung des Neubaus. Darin waren alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden und haben in zahlreichen Workshops Ideen eingebracht, zum Beispiel wie sie sich ihre neue Büroumgebung vorstellen. Als wir unsere IT-Strategie für die kommenden vier Jahre ausgearbeitet haben, sind wir genauso vorgegangen. Von 120 Maßnahmen sind 5 von mir, der Rest von den Mitarbeitern, die die dringlichsten Handlungs­bereiche und Zukunftsthemen identifiziert haben. Sie wissen schließlich besser als ich, wo es in ihren Bereichen hakt. Diese Arbeits­weise gibt auch vielen langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Motivation.

Text: Nadine Diehl / April 2019