Was macht ein Professor im Ruhestand?
26 Jahre lang war Peter Eichhorn Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. 2007 wurde er emeritiert – aufgehört zu arbeiten aber hat er nie. Zwölf Bücher wurden seither unter seinem Namen veröffentlicht, nach wie vor sitzt er jeden Tag am Schreibtisch. Zu Besuch bei einem Emeritus.

Mitten in der historischen Altstadt, in unmittelbarer Nähe zum Speyerer Dom, steht das Stadthaus, in dem Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn lebt. So hübsch wie heute sei es hier nicht immer gewesen, lächelt der emeritierte Betriebswirtschaftler. Viel eher sei es beim Kauf eine Ruine gewesen, durch deren Dach es hineinregnete. „Früher haben hier die Mönche gewohnt. Es gab viele kleine Mönchszellen – deshalb die zahlreichen Fenster!“, erklärt Eichhorn und zeigt das Herzstück des Hauses, sein Studierzimmer. Der Raum ist hell, auch hier gibt es etliche Fenster – vom Platz an seinem Schreibtisch aus hat Eichhorn den Dom fest im Blick. An den Wänden ringsum Bücherwände bis hoch zur Decke, davor eine Trittleiter. Mittig auf dem Schreibtisch liegt sorgsam ausgerichtet ein frischer Stapel weißes Papier.
Ab 1981 war der heute 83-jährige Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere im Bereich Public & Nonprofit Management, an der Universität Mannheim tätig. Ende des Sommersemesters 2007 wurde er mit 68 Jahren emeritiert, aufgehört zu schreiben aber hat er nie. Am Tag Eins nach seiner Emeritierung saß er frühmorgens wieder am Schreibtisch und begann damit, eine Neuauflage seines Standardwerks „Principles of Management“ zu produzieren. Zwölf Bücher sind seitdem neu erschienen, allesamt im Ruhestand publiziert. „Ich habe immer gern gearbeitet. Ach, was rede ich? Eigentlich habe ich nie gearbeitet, das war mein Hobby!“, unternimmt der Emeritus einen Versuch, seinen Antrieb und Fleiß zu erklären, und strahlt dabei. Überhaupt ist da stets dieses Funkeln in seinen Augen, voller Leidenschaft erzählt er aus seinem Leben. Immer wieder springt er dabei auf, steigt auf die Trittleiter und zieht zur Untermalung seiner Geschichten zielsicher das eine oder andere Buch aus dem Regal. Es fällt schwer, diesem dynamischen Menschen seine 83 Jahre wirklich zu glauben.
In der fränkischen Stadt Hof hat Eichhorn 1959 sein Abitur gemacht, in Nürnberg folgte das Diplom im Studienfach Betriebswirtschaftslehre – von 170 Diplomandinnen und Diplomanden sei er der einzige gewesen, der im Anschluss ins Ausland, nach Amerika ging, erzählt er. Möglich machte ihm das Auslandsjahr ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes und eine bestandene Aufnahmeprüfung in Englisch im Amerikahaus in Nürnberg. „Gegen diese Prüfung war das Abitur ein Klacks. Englisch war nämlich mein schlechtestes Fach! 70 Punkte brauchte ich zum Bestehen und 71 habe ich gemacht. Es reichte, aber hauchdünn“, erinnert sich Eichhorn und lacht. Nach seiner Habilitation und Stationen in Münster und Berlin erreichte ihn 1972 der Ruf an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. In der pfälzischen Mittelstadt lebte sich Eichhorn rasch ein, wurde zum Vorsitzenden des Kunstvereins und trieb diesen mit Ehrgeiz auf über 1000 Mitglieder hoch. Schon seit jeher habe er sich für Kunst und das Bauen von mittelalterlichen Kirchen interessiert. Einen ganzen Sommer lang sei er als junger Mann einmal per Anhalter durch Großbritannien gereist, um die Rosetten der Dome zu studieren.
Als dann der Ruf aus Mannheim kam, habe er nicht lange nachdenken müssen. Die Nähe zum attraktiven Speyer und die hohe Qualität der Wirtschaftswissenschaften seien ausreichend Argumente gewesen, um diesem zu folgen. 26 Jahre hat Peter Eichhorn an der Universität Mannheim verbracht, mehrere hundert Veröffentlichungen in Fachzeitschriften zeugen von seiner Aktivität in dieser Zeit. 46 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler promovierten bei ihm. 20 davon sind Professorinnen und Professoren geworden, eine Zahl, die ihn mit Stolz erfüllt. „Mir war es immer wichtig, die ethische Seite mit in die Betriebswirtschaftslehre hineinzubringen. Nur weil wir etwas können, heißt das nicht, dass wir das auch machen müssen“, betont er. Schaut man auf den Stapel der zwölf Bücher, die Eichhorn im Ruhestand veröffentlicht hat, fällt die Bandbreite auf: „Mauern“, „Neue Sicht auf Kunst“, „Die Outcome-Impact-Methode“, „Ohnmacht der Städte“, „Provinz hat Potential“ und „Zwiegespräche mit meinen Vorfahren und Nachkommen“ lauten die Titel auf den Buchrücken mitunter. „Das Schöne am Ruhestand ist die Gedankenfreiheit, mit der ich an meine Publikationen herangehen kann. Ich lasse mich von allem Möglichen inspirieren und schreibe, recherchiere, lese und suche jeden Tag“, resümiert Eichhorn.
Wer schreibt, muss erst gründlich nachdenken und sich dann festlegen – etwas, das dem Emeritus besonders gut gefällt. Aktuell arbeite er an einem Buch über die Demokratie, erzählt er. Sein Blick huscht hin zum Blanko- Papierstapel auf dem Schreibtisch und er lacht: „Der wartet schon auf mich. Ich schreibe alles mit der Hand. Ich muss mit einem Kugelschreiber über das weiße Papier fahren können, dann bin ich glücklich.“
Text: Jule Leger/