Ein Bild der Universität Mannheim in einem Pfeil umgeben von weiteren bunten Pfeilen. In der Mtte steht der titel "Start-up Factory - Gründungsgeschichten an der Uni Mannheim".

Pacific Straws: Eine glasklare Alternative

Auf das Auslands­semester folgt die Gründung: Seine Zeit in Indien und Berichte über weltweite Müll­probleme beeinflussen den Mannheimer Studenten Robert Dehghan nachhaltig. Zusammen mit seiner Kommilitonin Lara Schnieders beginnt er, wiederverwertbare Glashalme zu produzieren. Daraus entsteht das Start-up Pacific Straws. Das war 2018. Wo stehen die beiden Gründer*innen heute?

Müllberge auf den Straßen, kaum Recycling und die Er­kenntnis, wie viel Abfall wir Menschen jeden Tag produzieren: Robert Dehghan ist nachhaltig geschockt, als er 2018 aus dem Auslands­semester in Kalkutta, einer Millionenstadt in Indien, zurück nach Mannheim kommt. „Durch diesen Anblick habe ich ein viel besseres Verständnis für Müllentsorgung bekommen. In Deutschland verschwindet er schnell aus unseren Augen und wir nehmen ihn dadurch weniger wahr“, sagt der 28-jährige Alumnus.

An der Universität Mannheim beendet er zunächst sein Bachelor­studium der BWL. In seinem Freundeskreis wird nun regelmäßig über Müll­probleme gesprochen – auch, weil die Nachrichten inzwischen häufiger darüber berichten. Etwa über einen Müllstrudel im Pazifik, der fast vier Mal so groß ist wie Deutschland und viel Plastik enthält. Während einem der Gespräche kommt Dehghan, seiner Kommilitonin Lara Schnieders und deren Schwester Corinna eine Idee: Die Familie der Schwestern besitzt ein Unter­nehmen für Spezialglas – wie wäre es mit einem Trinkhalm, der aus Glas hergestellt wird und wiederverwendbar ist?

Innovation auf dem Markt

Sie formen die ersten Glashalme selbst über dem Feuer. „Die kamen bei Freund*innen und Familien super an“, sagt Dehghan. Nachhaltigkeit ist erstmal das Wichtigste für ihn und seine Mitstreiterinnen. „Dann stellten wir fest, dass die Glashalme einen gesellschaft­lichen Wandel vorantreiben können“, so die 28-jährige Lara Schnieders. In der Hotelbranche, in der ihre Schwester arbeitet, könnten Glashalme die nur einmal verwendbaren Plastikstrohhalme ablösen. Dazu der Vorteil des Familienbetriebs: „Mehr Freiraum bei der Gestaltung der Glashalme sowie der Produktion und weniger Gedanken über die Finanzierung“, sagt die Alumna.

Das Trio gründet Pacific Straws 2018. „Straw ist Englisch für Halm und Pacific ist eine Anlehnung an den riesigen Müllstrudel“, erklärt Dehghan. Ihr Start-up hat zu diesem Zeitpunkt nur einen Konkurrenten. Das EU-Plastikverbot wird erst 2019 beschlossen und tritt 2021 in Kraft. Das macht Pacific Straws zu „First Movern“ – eine Bezeichnung für Unter­nehmen, die als erste mit einem innovativen Angebot auf den Markt kommen und so einen Wettbewerbsvorteil haben.

Arbeit, Arbeit, Arbeit

Nach der Gründung müssen sie Kund*innen finden. Dehghan beginnt Mitte 2018 ein Praktikum und präsentiert jeden Tag nach der Arbeit in Bars oder Restaurants die Glashalme. Ebenso ist Schnieders nach ihren Vorlesungen in der Gastro-Branche unter­wegs. „Wir hatten keine Sales-Erfahrung und haben den Wirt*innen dann vorgerechnet, welchen Nutzen unsere Trinkhalme für sie hätten“, sagt Dehghan über die Anfänge des Start-ups. Er lernt genau wie Schnieders, sich in Kund*innen und Gäste hineinzuversetzen: Geht es ihnen um ein schönes Getränk? Einen günstigen Preis? Weniger Abfall? „Wir passten für jede*n Wirt*in unseren Pitch an und hatten eine unglaubliche Lernkurve“, sagt die 28-Jährige.

Am Anfang sind sie nicht nur nach Feierabend unter­wegs, sondern präsentieren auch am Wochenende deutschland­weit auf Messen ihre Glashalme. „Das Start-up hatte einige Zeit lang oberste Priorität“, erklärt Schnieders. Und Dehghan fügt hinzu: „Gleich­zeitig war es manchmal hart: Du hast eine Leidenschaft für dein Produkt, aber musst noch die Kund*innen überzeugen. Kaufen die nicht, fühlt es sich wie Versagen an – und trotzdem machst du weiter.“ Die Leidenschaft der Gründer*innen wird im Gespräch deutlich: Immer wieder knüpfen sie an die Aussagen der anderen Person an, erzählen Anekdoten, schwelgen in Erinnerungen. Man spürt, was ihnen die Glashalme bedeuten und wie viel Energie sie in das Start-up gesteckt haben.

Theorie und Realität

2019 beginnen Schnieders und Dehghan den Mannheim Master in Management. Laut ihr eine bewusste Entscheidung: „An der Uni Mannheim gibt es ein sehr fundiertes Basiswissen zu allen möglichen Geschäfts­bereichen.“ Zum Beispiel besuchen sie ein Modul des Mannheim Center for Entrepreneur­ship and Innovation (MCEI). „Da konnten wir unser Geschäfts­modell weiterentwickeln und wurden gezielt gefördert“, sagt Dehghan. Gleich­zeitig überprüfen sie dort ihre Strategie und ihre Vision. Dinge, zu denen sie im Tagesgeschäft, mit Fokus auf dem Verkauf, nicht kommen.

Der beste Deal des Start-ups? „Mit dem Bioladen denn’s. Bei jedem Besuch in einer Filiale schaue ich nach den Glashalmen und wer sie hergestellt hat“, sagt Dehghan. Jeder Glashalm ist von Hand gefertigt, jede Verpackung mit dem Namen der produzierenden Person versehen. Anders läuft es bei der Konkurrenz, die größer wird und günstigere Produkte auf den Markt bringt. „Wir haben beschlossen, wir bleiben uns treu: der Halm, die Verpackung, der Aufdruck, die Gravuren, die Bürste zum Säubern – alles wird in Deutschland produziert. Nachhaltigkeit ist uns wichtig“, sagt Dehghan bestimmt. Sie wenden sich außerdem von Privatkund*innen und Gastronomie hin zu Partner­schaften in der Werbemittelbranche: Glashalme als nachhaltige Geschenkidee zum Beispiel für Mitarbeitende von Unter­nehmen.

Neue Wege nach dem Studium

Sieben Jahre nach der Gründung kümmern sich heute zwei Mitarbeitende um das Tagesgeschäft von Pacific Straws. „Wir sind als Ansprechpersonen jederzeit verfügbar, haben aber nach dem Studium bewusst beschlossen, uns aus dem operativen Geschäft rauszuziehen“, sagt Schnieders.

Inzwischen arbeitet sie bei roadsurfer als strategische Projektmanagerin und Dehghan promoviert an der Uni Mannheim, während er gleich­zeitig als Co-Founder bei seinem zweiten Start-up ISTARI.AI für das Tagesgeschäft zuständig ist. „Dort profitiere ich enorm von dem, was ich bei Pacific Straws gelernt habe“, sagt der Alumnus. Beide schließen jedoch nicht aus, sich in Zukunft wieder zu 100 Prozent den Glashalmen zu widmen und neue Partner­schaften zu schließen.

Text: Luisa Gebhardt / April 2025

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Weitere Infos zu Pacific Straws gibt es auf der Website des Start-ups.