Bild des Ehrenhofs der Universität Mannheim mit der Aufschrift "FORUM. Das Magazin von Absolventum und der Universität Mannheim."

Einfach mal machen

Ob in Germanistik, Alter Geschichte, BWL oder Psychologie – an der Universität Mannheim haben Studierende vielfältige Möglichkeiten, ihr Theoriewissen aus der Vorlesung in der Praxis anzuwenden. In zahlreichen Veranstaltungen entwickeln sie beispielsweise historische Ausstellungen, forschen zu psychologischen Fragestellungen oder gründen Social Start-ups. FORUM-Reporterin Luisa Gebhardt hat sich zwei Praxiskonzepte näher angeschaut.

Das Experimentalpsychologische Forschungs­semester

Das vierte Bachelor­semester ist für die Psychologie-Studierenden etwas ganz Besonderes. Dann ist nämlich für die gesamte Kohorte Forschen angesagt: Wählen können die rund 120 teilnehmenden Studierenden aus den unterschiedlichsten Fach­richtungen, von Wahrnehmungs- über Bildungs- bis zur Sozialpsychologie. Im letzten Semester beschäftigten sie sich zum Beispiel mit Fragen rund um Vergesslichkeit, Traumforschung oder dem Kurzzeitgedächtnis. Aber auch aktuelle Aspekte, wie Open Data, Vorurteile gegenüber Nordafrikanern oder sexuelle Belästigung, wurden aufgegriffen. Um so viele unterschiedliche Themen abzudecken, finden zeitgleich mehrere Seminare statt, die von insgesamt sechs Lehr­stühlen und zwölf Dozentinnen und Dozenten betreut werden.

Am Ende des experimentalpsychologischen Forschungs­semesters steht immer der große Posterkongress an. Bei diesem präsentieren die rund zwanzig Gruppen ihre Ergebnisse aus einem Semester harter Arbeit: In den vergangenen Monaten überlegten sie sich ein Forschungs­thema, suchten Probanden und besprachen mit ihren Betreuern, wie sie ihre Experimente und Fragebögen aufbauen und welche statistischen Auswertungen sie durchführen sollten. Beim Kongress stehen die jungen Forscherinnen und Forscher gespannt, aber auch erfreut neben ihren Postern.

Es ist das erste Mal, dass die Studierenden richtig forschen und mit empirischer Methodik in Berührung kommen. „Eigene Fragestellungen mussten entwickelt werden, die sich auf aktuelle Forschungen der Lehr­stühle beziehen oder an diese angelehnt sind. Die Studierenden bekommen nichts aus dem Lehr­buch vorgesetzt, sondern sollen richtige Forschungs­luft schnuppern“, beschreibt Prof. Dr. Arndt Bröder, Inhaber des Lehr­stuhls für Allgemeine Psychologie, das Seminar. „Für mich ist es deshalb das Herzstück des Bachelor­studiums.“ Die Daten und Forschungs­ergebnisse werden nicht nur für den Zweck des Seminars erhoben. Teilweise lassen sie sich für Pilot­studien oder als Themen für spätere Doktorarbeiten verwenden. Wie es mit ihren Ergebnissen weitergeht, spielt für die Studierenden beim Kongress vorerst noch keine Rolle: Freudig erklären sie sich gegenseitig ihre Methoden und die Probleme bei der Probandenfindung, zeigen ihre Ergebnisse auf ihren Postern und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn Kritik seitens des Publikums kommt. Mühelos erläutern sie komplizierte Rechenwege für Wahrscheinlichkeiten, wobei sie nicht aufgeregt wirken, sondern konzentriert und stolz. Am Ende jedes Posterkongresses werden die besten Arbeiten dann mit einem kleinen Preis ausgezeichnet, die von einer Jury bestehend aus dem Publikum und den Kursleitern ausgewählt werden.

Ein Semester im Digital Social Innovation Lab

Für Master-Studierende der BWL gibt es seit dem Frühjahr die Möglichkeit, im Seminar „Digital Social Innovation Lab“ (DSI Lab) App-Start-ups mit gemeinnützigem Hintergrund zu gründen. Ins Leben gerufen hat das Lab der Lehr­stuhl für Corporate Social Responsibility (CSR) von Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons zusammen mit den Partnern Social Entrepreneurship Baden-Württemberg und SAP. Drei von sieben entwickelten Apps haben bereits einige Schritte Richtung Gründung unternommen. Während des Seminars entstanden Ideen für Gemüseboxen von regionalen Landwirten, die sich Kunden per App an ihren Arbeits­platz liefern lassen und nach Feierabend mitnehmen können. Oder eine neue Charity-App, bei der mit Hilfe eines QR-Codes für ein soziales Projekt gespendet wird. Eine der Ideen überzeugte auch außerhalb des Seminars: Eine App, die Obdachlosen hilft, ihren Alltag besser zu bewältigen und Behördengänge erleichtert. Dafür bot die Stadt Mannheim dem Start-up-Team sogar finanz­ielle Unterstützung.

Das DSI Lab ist insgesamt für knapp 30 Master-Studierende ausgelegt. In Teams setzen sie sich ein Semester lang mit sozialen sowie ökologischen Problemstellungen auseinander und entwickeln digitale Antworten. Außerdem konnte im ersten Durchlauf zum Beispiel die Gründerin von Deutschlands erstem Integrations­dienstleister Social Bee, Zarah Bruhn, als Mentorin gewonnen werden und berichtete aus der Praxis.

Im ersten Semester des DSI Lab wurden neben viel kreativem Denken auch Geschäfts­modelle angefertigt, Prototypen gebaut und Ideen vor Publikum gepitcht. „Ich habe viele neue Erfahrungen und Eindrücke gesammelt, was mir ohne das Lab nicht möglich gewesen wäre“, sagt Studentin Luisa Balk. „So häufig bekommt man nicht die Gelegenheit, einen Businessplan in die Tat umzusetzen. Außerdem konnte ich mit den Initiatoren sozialer Projekte hier in der Region sprechen und Kontakte knüpfen.“

Nachdem das „Digital Social Innovation Lab“ bereits in der ersten Runde so erfolgreich war, soll es nun weitergeführt und jedes Semester angeboten werden. „Besonders in Deutschland wird die Digitalisierung häufig in einem negativen Licht gesehen, weil sie zum Beispiel dem Arbeits­markt schaden kann“, erklärt BWL-Professorin Edinger-Schons. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam zu denken.“

Text: Luisa Gebhardt / Oktober 2019